Skandal in Sichtweite der Freiheitsstatue

Kronzeugin im Fall Strauss-Kahn räumt Lüge ein

Was am Freitag in New York amtlich bestätigt worden ist, verdient nichts anderes als die Bezeichnung Skandal. Seit dem 14. Mai stand einer der mächtigsten Männer der Welt, der bisherige Chef des Internationalen Währungsfonds IWF Strauss-Kahn, erst unter dem Vorwurf und dann unter der Anklage der versuchten Vergewaltigung. Er war im Gefängnis und dann in einem extrem gesicherten Privathaus eingesperrt. Die entwürdigenden Bilder des Mannes signalisierten: Hier steht ein Verbrecher, dem recht geschieht.

Sieben Wochen lang hat sich Strauss-Kahn gegen die Vorwürfe gewehrt. Nun endlich hat der Staatsanwalt von Manhattan herausgefunden, was er schon am ersten Tag hätte wissen können: dass die Kronzeugin wiederholt und auch in diesem Falle die Unwahrheit gesagt hat und überdies in kriminelle Aktivitäten verwickelt war. Wenn überhaupt etwas war, war es möglicherweise eine einvernehmliche Beziehung zweier erwachsener Menschen. Privatsache also.

Soviel steht jetzt schon fest: Strauss-Kahn ist, sozusagen in Sichtweite der amerikanischen Freiheitsstatue, öffentlich gedemütigt und vorverurteilt worden. Bis zum Beweis des Gegenteils bleiben nur Verlierer auf der Strecke. Zum einen Strauss-Kahn selbst. Wie auch immer das Verfahren ausgeht: Der Mann ist politisch und gesellschaftlich unten durch. Und mit ihm seine Familie. Auch wenn in Paris schon spekuliert wird, Strauss-Kahn könne noch einmal auf die politische Bühne zurückkehren — selbst im in Privatangelegenheiten eher großzügigen Frankreich scheint das unwahrscheinlich. Irgendwas bleibt bekanntlich immer hängen.

Zu den Verlierern zählt auch die Weltwirtschaft. In einer Krise wie der in der Euro-Zone hat der Internationale Währungsfonds seinen erfahrensten Kopf verloren — so einer ist nicht eins zu eins zu ersetzen.

Verloren hat auch das amerikanische Rechtssystem. Statt ergebnisoffen zu ermitteln, hat der New Yorker Bezirksstaatsanwalt Cyrus Vance der Versuchung nicht widerstehen können, öffentlichkeitswirksam einen Prominenten zur Strecke zu bringen. Staatsanwälte werden in den USA gewählt und bringen sich für weitere Karriereschritte in Stellung. Vances Vater war immerhin mal US-Außenminister.