Meinung Sterbehilfe: Es gibt keine Regelung für alle Fälle

Der wichtigere Beschluss ist wohl schon am Donnerstag gefallen. Als es im Bundestag nämlich nicht wie gestern um die Beihilfe zum Suizid durch Ärzte oder Sterbehilfevereine ging, sondern um die Palliativmedizin.

Um ein Lebensende in Würde, am besten zu Hause, am besten ohne Schmerzen.

Dass das Thema überhaupt so eine Dimension bekommen hat, liegt eben auch daran, dass der Tod in unserer Gesellschaft oft so unwürdig daher kommt: Verzweifelt, allein, in Kliniken, im Heim. Davor hat jeder Angst. Die Palliativmedizin wird nun verbessert, die Mittel dafür werden aufgestockt. Nicht ausreichend zwar, aber es ist ein erster Schritt.

Der zweite Grund für die Debatte ist der drohende Verlust einer moralischen roten Linie. Ob es Ärzte sind, die sich regelrecht auf die Sterbehilfe spezialisiert haben, oder Vereine, die mal mit, mal ohne Gewinnabsicht helfen - immer wird ein Rubikon überschritten. Er besteht darin, dass durch die organisierte, scheinbar problemlose Form ein Druck entsteht: Komm, Oma, hier hast du die Adresse, du weißt, was du zu tun hast. Das korrespondiert mit der Vereinzelung der Sterbenden, ist sozusagen die organisierte, sogar kommerzielle Antwort darauf. Dieses Treiben wird nun unter Strafe gestellt. Zwar ist die Wirkung dieses Beschlusses begrenzt; die Adressen in der Schweiz, Holland oder Belgien gibt es weiterhin. Aber Deutschland will ein solches Sterbehilfeland (noch) nicht sein. Das hat die Bundestagsmehrheit nach einem eindrucksvollen Diskussionsprozess mit ebenso eindrucksvoller Mehrheit festgehalten.

Ebenso wichtig ist freilich, dass er trotzdem noch Auswege gibt. Ein Totalverbot, wie es einige forderten, hätte bedeutet, einen Zwang zum Leben zu verordnen. Wer will ein so großer Richter sein! Ärzte müssen auch weiter im Einzelfall eine Therapie abbrechen oder ein Medikament zur Verfügung stellen können, auch Angehörige müssen das dürfen, so lange der freie Wille des Sterbenden klar erkennbar ist. Das Klügste zu diesem Thema hat außerhalb des Parlaments der ehemalige SPD-Vorsitzende Franz Müntefering formuliert, der vor einigen Jahren seine eigene Frau beim Sterben begleiten musste. Der Mensch sei ein Unikat, sagte Müntefering. Jedes Leben sei ein Unikat, jedes Sterben auch. Es gebe keine Regelung für alle Fälle. Gut, dass der Bundestag einer solchen Versuchung nicht erlag.