Meinung Suche nach den Wurzeln

Wie fühlt es sich an, nicht zu wissen, woher man kommt, von wem man abstammt? Die Tragweite solcher Ungewissheit können wohl nur diejenigen erfassen, die mit dieser Ungewissheit leben müssen. Aus der Adoptionsforschung ist bekannt, dass Adoptiveltern der Psyche ihrer Kinder Schaden zufügen können, wenn sie ihnen keinen reinen Wein einschenken und diese dann auf anderem Wege von ihrer Herkunft erfahren.

Ein Kommentar von Peter Kurz.

Der Mensch ist eben nicht nur ein Wesen, das sich über seine soziale Umgebung definiert, sondern auch über die Erkenntnis der genetischen Abstammung. Eben darum hat das Recht auf Wissen dieser Abstammung einen hohen Stellenwert — jenseits aller rechtlichen Konsequenzen wie Erb- oder Unterhaltsrecht.

Und doch kann dieser Anspruch auf Information nicht absolut über allen anderen Rechten stehen. Das hat das Bundesverfassungsgericht zu Recht deutlich gemacht, als es die Klage einer Frau abwies, die ihrem mutmaßlichen leiblichen Vater die Vaterschaft nachweisen wollte. Denn so essenziell das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung ist, so wichtig ist es doch auch zu beachten, dass von solchen juristischen Verfahren die Rechte anderer Menschen betroffen sind. Personen, die zwangsläufig in eine solche Auseinandersetzung hineingezogen werden.

Allen voran der Mann, der als mutmaßlicher Erzeuger entgegen eigener Beteuerung „unter Verdacht“ gerät. Aber auch in dessen Familie kann eine solche Klage die Saat des Misstrauens tragen. Es geht schließlich um intimste Beziehungen, die da behauptet werden. Behauptet! Das Wort ist wichtig. Denn es steht längst nicht fest, dass es tatsächlich so war. Schon allein durch das rechtliche Verfahren, das ja — auch das ist denkbar — böswillig und „ins Blaue hinein“ eingeleitet werden kann, kann Porzellan zerschlagen werden. Das Gleiche kann überdies für die Familie desjenigen gelten, der da behauptet, seine Wurzeln lägen anderswo.