Meinung Teure Wohlfühlpolitik für jedermanns Heimatgefühl

Mit Heimat-Schecks, Heimat-Preisen, Heimat-Werkstätten, Heimat-Zeugnissen und einem Heimat-Fonds will NRW-Heimatministerin Ina Scharrenbach (CDU) zum Preis von 113 Millionen Euro fünf Jahre lang einen „Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenhalt“ leisten.

Ulli Tückmantel.

Foto: Schwartz, Anna (as)

Dabei geht es Scharrenbach offenbar nicht um den x-ten Anlauf, so etwas wie eine NRW-Identität à la Johannes Rau („Wir in Nordrhein-Westfalen“) zu schaffen.

In wolkigen Formulierungen vermeidet Scharrenbach im Gegenteil jede Definition, was genau „Heimat“ im Allgemeinen und in NRW im Besonderen wohl sein könnte: Man fördere „Heimat im Respekt vor ihrer Vielfalt“; Heimat trage man als unsichtbare Wurzel in sich, „egal, wo ein Mensch herkommt“ (oder hingeht); Heimat sei solidarisches Miteinander in gegenseitigem Respekt; Heimat verbinde. Und so weiter und so fort.

Heimat ist im Scharrenbach-Ministerium offenbar also vor allem eine Sprechblase, der Wohlfühlname einer Symbolpolitik ohne konkrete Vorstellungen, wie das extreme Stadt-Land-Gefälle in NRW auszugleichen und der Artikel 72 des Grundgesetzes mit Leben zu füllen wäre. Der enthält das Staatsziel der „Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet“, die es freilich noch nie gab, die aber dennoch das Ziel bleiben. In Bayern, woher die Idee des Heimatministeriums stammt, zog bei seiner Gründung 2014 das Ministerium selbst aufs Land.

Seitdem müht sich Markus Söder (CSU) von Nürnberg aus um Breitbandanschlüsse für Dörfer und siedelt Landesbehörden zur Kaufkraftstärkung in (rein zufällig) fränkische Gegenden um, in denen sonst nicht viel los ist. Dagegen nimmt sich Ina Scharrenbachs Initiative wie eine Verteilung von Trostprämien an Provinzler aus — dafür, dass sie, nun ja, in der Provinz leben.

Das wird mutmaßlich bei den 160 000 Mitgliedern der 900 Heimatvereine gut ankommen, die Scharrenbach im Land gezählt hat. Aber ländliche Räume wertet das nicht auf. In den Struktur-Steppen unseres Bundeslandes fehlen Schulen, Ärzte, Arbeitsplätze, Autobahn- und Datenanschlüsse.

Das Wohlfühlprogramm überlassen die Bayern dem Bayerischen Rundfunk. Der hat gerade 555 neue Folgen seiner Vorabend-Serie „Dahoam is Dahoam“ genehmigt bekommen. Die tut gar nicht erst so, als sei das Politik.