Meinung Das ist keine Petitesse, sondern schwerwiegend
Meinung · Die Öffentlichkeit hat auf die Antworten eines Untersuchungsausschusses einen Anspruch, weil mit dem Unsinns-Projekt Hunderte Millionen Euro an Steuergeldern in den Sand gesetzt worden sind. Ein Kommentar.
Es klingt abgedroschen, aber es bleibt wahr: Ein Untersuchungsausschuss ist das schärfste Schwert der parlamentarischen Opposition, um mögliches Fehlverhalten von Regierenden aufzudecken. Die Erfahrung lehrt: Immer kommen durch einen U-Ausschuss Dinge ans Tageslicht, mit denen man nicht rechnen konnte. Weil Zeugen befragt werden dürfen und Unterlagen freigegeben werden müssen. Das war bei den diversen Parteispendenaffären von Flick bis Kohl so, beim Terrortrio des NSU und dem Dieselskandal. So wird es auch bei der Maut kommen.
Denn was bislang bekannt ist und von Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) angeblich „maximal transparent“ vorgelegt wurde, hat die entscheidenden Fragen nicht beantwortet: Was wurde besprochen, angeboten, vereinbart bei den diversen „Geheimtreffen“ mit den Lobbyisten der Betreiber? Und warum? Die Öffentlichkeit hat auf die Antworten einen Anspruch, weil mit dem Unsinns-Projekt Hunderte Millionen Euro an Steuergeldern in den Sand gesetzt worden sind. Das ist keine Petitesse, sondern schwerwiegend. Dem liegt womöglich ein massives, politisches Fehlverhalten zugrunde, für das es Verantwortliche gibt, aber noch keine Konsequenzen.
An Klarheit und Wahrheit sollten alle Abgeordneten des Bundestages ein Interesse haben, nicht nur die der Opposition. Schließlich geht es auch um das Vertrauen in die Politik als Ganzes. Dem ist aber nicht so. Die SPD ist mutlos, aus Gründen der Koalitionsräson hatte sie schon das Maut-Projekt mitgetragen, obwohl sie es für falsch hielt; für die CDU gilt ähnliches. Und die CSU muss das Gremium fürchten wie der Teufel das Weihwasser. Schließlich hat sie der Republik die Pkw-Maut nur für Ausländer eingebrockt – ihr Scheitern vor dem Europäischen Gerichtshof inklusive.
Verkehrsminister Scheuer hat zwar das Projekt auf die Zielgerade geführt und womöglich dabei schwere Fehler begangen, doch auf ihn allein darf man die Sicht nicht beschränken: Sein Vorgänger war der jetzige CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, der die Maut und ihre Umsetzung gegen alle Bedenken vorangetrieben hat. Er ist der Vater des komplizierten Konstrukts, das in Europa durchgerasselt ist. Dobrindt hat wiederum auf Geheiß des damaligen Parteichefs und Ministerpräsidenten Horst Seehofer gehandelt, der jetzt Bundesinnenminister ist. Und auch Seehofers Nachfolger in München, Markus Söder, war ein glühender Anhänger der diskriminierenden Gebühr. Die Rolle dieser Drei darf ein Untersuchungsausschuss ebenfalls nicht ignorieren. Auch wenn die CSU-Granden es wohl am liebsten hätten, Scheuer würde für sie weiter allein den Kopf hinhalten.