Warum einige Patienten gleicher sind
Lange Wartezeiten und Ungleichbehandlung beim Arzt
Nein, in den nächsten Wochen haben wir keinen Termin für Sie — der Kassenpatient, der dies von der Sprechstundenhilfe zu hören bekommt, fühlt sich ohnmächtig und mit seinem gesundheitlichen Problem nicht ernst genommen. Ein Patient zweiter Klasse, der von Privatpatienten überholt wird. Sowohl bei der Terminvergabe, als auch am Tag der Behandlung in der Praxis, wenn der Patient erster Klasse am vollen Wartezimmer vorbeigeschleust wird. Eine Mehrheit von 85 Prozent wird gegenüber einer kleinen Minderheit zurückgesetzt.
Dafür, dass der Arzt und sein Personal so mit ihren Patienten umspringen, gibt es freilich wirtschaftliche Gründe. Ein Arzt — und das kann man ihm nicht zum Vorwurf machen — ist nun mal kein selbstloser Heilsbringer, sondern auch ein Unternehmer. Er muss seine Praxismiete, teure Apparaturen, sein Personal und gegebenenfalls auch noch einen Bankkredit nach einer Praxisübernahme finanzieren. Da ist es nicht wirklich überraschend, dass ein Privatpatient vorgezogen wird, dessen Behandlung dem Arzt meist ein höheres Honorar einbringt.
Der von den Grünen vorgeschlagene Weg, gesetzliche und private Krankenversicherung in einer Bürgerversicherung zusammenzuführen, klingt reizvoll. Doch politisch ist das kaum durchsetzbar. Solche Planspiele scheiterten schon vor Jahren am Widerstand der Versicherungslobby. Auch dürfte es kompliziert werden, den durch jahrelange Beitragszahlungen erkauften Besitzstand der Privatpatienten einfach so zu nivellieren.
Doch auch im bestehenden System kann nachjustiert werden. Die quartalsorientierte Bürokratie, der Ärzte unterworfen sind, sollte abgeschafft werden. Wenn der Doktor bestimmte Leistungen gegenüber seinem Patienten nur einmal im Quartal erbringen darf, danach aber für ein „Vergelt’s Gott“ arbeiten soll, so ist es nachvollziebar, wenn er einen Behandlungstermin ins nächste Quartal verlagert. Pauschale Honorare pro Abrechnungszeitraum werden weder dem wirtschaftlichen Interesse des Arztes noch dem Interesse des Patienten auf Zuwendung gerecht. Die Abrechnung auch bei gesetzlich Versicherten sollte sich daher an der Qualität des einzelnen Patientenkontakts orientieren.