Meinung Warum von der Leyen jetzt ein echtes Problem hat
Dass Ursula von der Leyen am Dienstag ihre USA-Reise abgesagt hat, um in der Heimat die Scherben aufzukehren, die ihr Teile der Truppe vor die Füße geworfen haben, ist vor allem ein Zeichen an die Öffentlichkeit: Seht her, ich packe an.
Damit ist es auch der verzweifelte Versuch der Ministerin, in den kommenden Tagen keine politischen Konsequenzen ziehen zu müssen. Spätestens seit gestern kämpft von der Leyen nämlich um ihr politisches Amt.
Das tut sie vor dem Hintergrund, dass das allzu breite Meinungsspektrum in der Bundeswehr mit auch überschrittenen Extremismus-Grenzen keine wirklich neue Erkenntnis ist — und mindestens die Verteidigungsministerin von der Leyen bereits vier Jahre Zeit gehabt hat, als „Inhaberin der Befehls- und Kommandogewalt“ mitsamt dem Führungspersonal der Bundeswehr eine gemeinsame Linie zu erarbeiten, die trägt — und demokratische und freiheitliche Grundprinzipien auch innerhalb des „kameradschaftlichen Miteinanders“ garantiert. Dazu gehören eben nicht rechtsextreme Tendenzen, Mobbing oder sexuelle Übergriffe — die Liste der Vorfälle in ihrer Amtszeit ist lang.
Diese Vorfälle hat von der Leyen in ihrem offenen Brief vom 1. Mai selbst offensiv aufgegriffen. Gar so, dass es — um im Militärjargon zu bleiben — verdächtig nach Flucht nach vorn aussieht für eine ehrgeizige Spitzenpolitikerin, an der am Ende wenig hängen bleiben soll. Für diesen Angang allerdings hat sie sich in der Bundeswehr den falschen Partner ausgesucht: Auf Kritik reagiert die Truppe seit jeher gereizt, seit der einstige Minister Carl Theodor zu Guttenberg (CSU) die Bundeswehr als Popstar mit Boyband grenzenlos überhöht hat, noch mehr. Dementsprechend laut fiel das Rumoren der Truppe nach dem Brief aus, der den Soldaten zu sehr als Generalkritik daher kam.
So wird zweierlei daraus: Von der Leyen muss jetzt den Spagat schaffen, die Truppe nicht zu verlieren. Und sie muss öffentlich beweisen, dass sie auf alle Umtriebe und Skandale eine Antwort findet und die Bundeswehr ganz grundlegend auf Linie bringen kann. Derzeit scheint es auf beiden Ebenen nicht gut bestellt um sie. Die Truppe muss sie wieder einfangen. Und: Die Verantwortung vehement nach unten zu delegieren, mag auf den ersten Blick vor allem für eine Frau im derart männerdominierten Militärgeschäft tatkräftig wirken, spricht aber auch selten für den, der als Verantwortungsträger auf solche Weise delegieren muss.