Wikileaks: Glaubwürdigkeit steht auf dem Spiel

Die Wikileaks-Enthüllungen sind beschämend für die USA

Unglücklich — so nennt die US-Regierung die Wiki— leaks-Enthüllungen, wonach bei der Festnahme, der Inhaftierung und dem Umgang mit Insassen im Gefangenenlager Guantanamo absolute Willkür herrschte. Aus der Sicht von US-Präsident Barack Obama, übrigens auch der seines Vorgängers George W. Bush, mag das zutreffen.

Die Enthüllungen sind aber auch etwas anderes: beschämend. Beschämend für ein Land, das sich als starke Demokratie versteht und seit mehr als 200 Jahren stolz auf die Einhaltung jenes rechtsstaatlichen Prinzips verweist, wonach nur jene, deren Schuld über jeden Zweifel erhaben ist, verurteilt und bestraft werden dürfen.

In Guantanamo aber traf und trifft das Gegenteil zu: Offenbar reichte es aus, sich in Irak oder Afghanistan in der Nähe eines Bombenanschlags aufgehalten zu haben, psychisch krank zu sein oder schlichtweg als verzweifelter afghanischer Vater seinen vermissten Sohn gesucht zu haben. Wer maßlos über die Stränge schlagenden US-Soldaten oder Agenten ins Netz lief, dessen Schicksal war besiegelt.

Wie ironisch ist es vor diesem Hintergrund, dass die US-Regierung jedes Jahr einen offiziellen Bericht veröffentlicht, der angebliche Menschenrechtsverletzungen in über 180 Ländern, unter anderem Deutschland, anprangert. Ex-Präsident Bush hatte eine simple Antwort auf diesen eklatanten Widerspruch parat: Im Kampf gegen den internationalen Terrorismus gelten andere Gesetze, oder, genauer gesagt, das Gesetz der Willkür.

Dabei trifft die Verantwortung keineswegs nur Bush. Schließlich bestand eine von Barack Obamas ersten Amtshandlungen darin, die Schließung des umstrittenen Gefangenenlagers zu versprechen. Zwölf Monate sollte es dauern. Nun aber sind mehr als zwei Jahre verstrichen, und geändert hat sich nichts. Den politischen Widerstand gegen Prozesse auf dem Festland hatte Obama eindeutig unterschätzt.

Dabei ist es nicht zu spät, weiteren Schaden abzuwenden. Demokraten und Republikaner sollten sich auf den eigenen Rechtsstaat besinnen, die Umstände jedes der verbliebenen 172 Insassen prüfen lassen und jene, die weder gefährlich sind noch nachweislichen Kontakt zu Terrororganisationen haben, sofort freilassen. Nur so ließe sich die Glaubwürdigkeit retten.