Kandidat in Düsseldorf Jung, grün und mutig – Anas Al-Qura’an möchte in den Bundestag

Düsseldorf · Anas Al-Qura’an hat seinen ersten großen Wahlkampf mit gerade einmal 18 Jahren geführt. Nun, mit 21, will er in den Bundestag einziehen und sich dort für junge Menschen und Inklusion einsetzen.

„Ich höre immer wieder: Da ist einer wie wir, der kandidiert“, sagt Anas Al-Qura’an. Der 21-Jährige tritt bereits zum zweiten Mal für die Grünen als Direktkandidat im Düsseldorfer Norden an.

Foto: Grüne Düsseldorf

Anas Al-Qura’an kommt direkt von der Arbeit, aus seinem Büro im Wirtschaftsministerium, trägt ein Hemd unter dem Pullover und bestellt einen Tee. Dieser Mann, er ist ehrgeizig und fleißig, selbstbewusst und ziemlich jung.

Es wäre zu einfach, nur über sein Alter zu sprechen, wenn man Anas Al-Qura’an kennenlernt. Und doch ist es bedeutend. Er ist 21 Jahre alt und führt schon seinen zweiten Bundestagswahlkampf. Beim ersten wurde er nur 19 Tage vor dem Wahltermin volljährig, zahlreiche Medien stellten ihn vor als den jüngsten Kandidaten der Grünen. Er verpasste den Einzug, doch hat noch immer in seinem Instagram-Account stehen: „Jüngster Bundestagskandidat 21“. Nun will er es erneut versuchen – diesmal über ein Direktmandat.

Man muss auch deshalb über Anas Al-Qura’ans Alter sprechen, weil er immer wieder danach gefragt wird. Weil seine Kompetenz deswegen infrage gestellt wird. So jung – zu jung? „Wer nur auf das Alter schaut, kann manches übersehen“, sagt Al-Qura’an. Tatsächlich hat er mit 21 Jahren schon mehr Stationen absolviert als andere mit 30.

Nach dem Realschulabschluss stand er vor der Frage, wie es weitergehen soll. „Es hieß immer: Wer eine Ausbildung macht, ist blöd“, sagt Al-Qura’an. „Ich hatte den besten Abschluss meiner Stufe und habe trotzdem eine Ausbildung gemacht.“ Ihm sei schnell klar gewesen, dass er in die Verwaltung wollte. Also startete er beim Wirtschaftsministerium. Heute ist er Verwaltungsfachangestellter, hat nebenbei sein Abitur gemacht, einen Abschluss als Betriebswirt absolviert. Auch über ein Masterstudium denkt er derzeit nach.

In der Politik ist er seit Jahren aktiv. Es war seine persönliche Geschichte, die ihn zu diesem Engagement brachte. Als Jugendlicher erkrankte Al-Qura’an an den Augen, die Netzhaut löste sich ab. Heute lebt er mit einer Sehbehinderung. „Ich habe damals vier Jahre lang auf Hilfsmittel gewartet“, sagt er. So saß er ohne Bildschirmlesegerät in der Schule, musste seine Mitschüler nach ihren Notizen fragen oder sich Tafelbilder abfotografieren lassen. „Ich habe mich gefragt, wie das sein kann.“ Also hat er sich für den Jugendrat der Stadt Düsseldorf aufstellen lassen. Um mitreden und mitbestimmen zu können.

Noch als Minderjähriger trat er 2020 bei den Grünen ein. Er hatte sich damals mehrere Parteien angeschaut, Veranstaltungen der Jugendorganisationen besucht, erste Kontakte geknüpft. Die meisten, sagt er, hätten ihn belächelt. Doch bei den Grünen habe man ihn ernstgenommen – als jungen Mann mit Sehbehinderung und Einwanderungsgeschichte. Nur ein Jahr später kandidierte er erstmals für den Bundestag.

Das war kein Zufall, sagt Al-Qura’an. Er habe gegoogelt, ob das überhaupt möglich ist, und dann angefangen, Gespräche zu führen. Obwohl der Einzug in den Bundestags im ersten Anlauf nicht klappte, ließ er sich nicht entmutigen und machte weiter Politik – schließlich ist er jung genug.

Mehr Barrierefreiheit und Durchlässigkeit im Regelsystem

Die Themen, für die er sich engagiert, betreffen ihn selbst: Jugend und Inklusion. Er ist viel in Schulen unterwegs, spricht dort über seinen Weg und seine politische Arbeit, betreut den Jugendrat. „Da kann ich mit Überzeugung davon sprechen, dass die jungen Leute für ihre Träume einstehen sollen“, sagt er. Er will sie ermutigen, sich zu engagieren, trotz ihres jungen Alters. „Jugendlichen mit Behinderungen möchte ich vermitteln, dass sie nicht Opfer dieses Systems sein müssen.“

Damit meint er vor allem das Förderschulsystem. Denn Kinder mit Behinderung stehen heute vor der Wahl: Sie können entweder eine Förderschule besuchen und sich dadurch einen Platz in einer Förderwerkstatt sichern. Oder aber auf eine Regelschule gehen – und diese Sicherheit aufgeben. „Da braucht es viel Mut in den Familien“, sagt Al-Qura’an. Er möchte das Förderschulsystem nicht gänzlich abschaffen, aber mehr Barrierefreiheit und Durchlässigkeit im Regelsystem.

Auch bessere Hilfen bei psychischen Belastungen von Jugendlichen stehen auf seiner Agenda. So möchte er Sozialarbeit und „Mental-Health-Coaches“ an Schulen stärken, die etwa bei Depressionen, Ess- und Angststörungen helfen. Zudem spricht er sich für das Wahlrecht ab 16 Jahren aus.

Für den Wahlkampf ist Anas Al-Qura’an ständig in seinem Wahlkreis im Düsseldorfer Norden unterwegs. Schon im Sommer – noch bevor der Termin für die vorgezogene Bundestagswahl feststand – habe er an Haustüren geklopft. An den Wochenenden steht er immer mit einem Stand auf der Nordstraße oder am Klemensplatz, oft fährt mit einer Rikscha durch Düsseldorf. Für ihn ist seine Heimat die schönste Stadt, sagt der Oberbilker, so bunt und vielfältig.

Anders als bei seinem ersten Wahlkampf als Minderjähriger habe er heute schon weniger mit Vorurteilen wegen seines Alters zu kämpfen, sagt er. Für viele Jüngere sei er ein Gleichgesinnter. „Ich höre immer wieder: Da ist einer wie wir, der kandidiert“, sagt Al-Qura’an. Doch auch für Ältere sei er nicht zwingend der junge, unerfahrene Kandidat. „Es gibt viele ältere Menschen in Düsseldorf, die sich Veränderungen wünschen“, sagt er.

(veke lukra)