Hunderte müssen zu Hause bleiben

Weil es nichts mehr zu tun gibt, ruht bei FM und Nickisch schon ab Samstag bis in den Januar die Produktion.

Burscheid. Das Ferien auch etwas Besorgniserregendes haben können, erfahren derzeit die Burscheider Automobilzulieferer - und zwar die großen wie die kleinen: Sowohl bei Federal-Mogul als auch bei der Hilgener Firma Nickisch bleibt fast die gesamte Belegschaft ab heute bis in den Januar hinein zu Hause. Es gibt nichts mehr zu tun. Ein Situationsbericht aus den vier Zulieferbetrieben.

Eigentlich sollte die Produktion erst ab dem 19. Dezember ruhen. Aber weil die Auftragslage sich weiter verschlechtert hat, wurde für die komplette kommende Woche Kurzarbeit angesetzt. Die Folge: Für rund 80 Prozent der Mitarbeiter beginnen am Samstag bereits die Weihnachtsferien.

"Der Januar hat sich auf niedrigem Niveau stabilisiert", blickt Geschäftsführer Michael Hedderich auf die Auftragslage zu Beginn des kommenden Jahres. Sie liegt im Vergleich zum Januar 2008 um 30 Prozent niedriger. Eine vergleichbare Unterschreitung erwartet Hedderich für das gesamte erste Quartal 2009.

Der Abbau der befristeten Stellen bei FM geht weiter. Derzeit hat der Standort noch knapp über 1500 Mitarbeiter. Durch eine Betriebsvereinbarung sind betriebsbedingte Kündigungen bis Ende Juli 2009 ausgeschlossen. "Was danach kommt, hängt von der weiteren Entwicklung der Auftragslage ab", sagt Hedderich.

104 Mitarbeiter müssen die Burscheider Europazentrale verlassen. 55 haben sich freiwillig gemeldet, zehn gehen in Frührente, 39 erhalten die betriebsbedingte Kündigung. Die meisten wissen das schon; bis Ende Januar sollen alle Betroffenen informiert sein.

Dennoch hat der Konzern das Angebot an alle Mitarbeiter, gegen Abfindung aus dem Unternehmen auszuscheiden, bis Ende März verlängert. Denn dass der Druck, Personal abzubauen, sich noch erhöht, ist nicht ausgeschlossen: "Eine absolute Garantie gibt es nicht", sagt Sprecherin Ina Longwitz.

Über die angekündigten Werksschließungen in Europa ist noch nicht entschieden worden. Derzeit hat JC europaweit 105 und deutschlandweit 28 Standorte. Im Werk Bochum ruht die Opellinie während der kompletten Weihnachtsferien. Hoffnung gibt es für die 900 Mitarbeiter in Lüneburg: Nach der Rückkehr am 22. Januar aus den Ferien soll es keine Kurzarbeit mehr geben. Dafür wurde die Wochenarbeitszeit von 37,5 auf 35 Stunden gesenkt. Und mit dem Betriebsrat wird über eine Ausdehnung der flexiblen Arbeitszeitkonten auf drei Jahre verhandelt.

"Wir müssen drei Monate ganz kleine Brötchen backen", glaubt Geschäftsführer Johannes Orlowski. Ab heute ruht die Produktion praktisch, die 50 Mitarbeiter feiern Überstunden und Resturlaub ab. Wenn sie am 5. Januar in den Betrieb zurückkehren, gibt es Kurzarbeit, zunächst bis Ende Januar.

Noch bis Mitte November seien die Geschäfte sehr gut gelaufen. "Dann aber sind die Bestellungen nicht weniger geworden, sondern in sich zusammengefallen. Das war wie eine Abrisskante. So etwas kennt man in der Betriebswirtschaft eigentlich nicht", sagt Orlowski.

Zu 80 Prozent hängt der Betrieb an der Automobilindustrie - und ist durch die Krise besonders betroffen, weil er Zulieferer für die Zulieferer ist. Und die kompensieren ihre Ausfälle zunächst dadurch, dass sie die bisher an Nickisch vergebenen Aufträge jetzt im eigenen Haus erledigen.

Dennoch will Orlowski betriebsbedingte Kündigungen vermeiden. "Und ich bin überzeugt, dass wir das schaffen." Man gehe zunächst von der Talsohle mit 50-prozentigem Auftragsrückgang aus. "Alles, was jetzt noch kommt, verbessert die Lage." Auch soll ein Ausweiten der automobilunabhängigen Schleifbearbeitung die Abhängigkeit von der Branche mindern.

Entscheidend sei, dass jetzt kein Liquiditätsproblem entstehe. Ein Konzept unter Einbindung der Gesellschafter und Hausbanken soll die andernfalls drohende Insolvenz vermeiden. Zwei Anlagen werden zudem verleast.

Gerhard Hanke, Geschäftsführer der Hugo-Faßbender-Dichtungsgesellschaft, ist ein bedachter Mensch. Er will nicht in Hektik verfallen. Aber für den Notfall hat auch er das Kurzarbeitsformular schon in der Schublade. 120 Millionen der jährlich 200 Millionen Dichtungen wandern in die Autoindustrie. Hauptabnehmer: BMW. "Und der hat uns gerade mitgeteilt, dass er das Werk für dieses Jahr schließt und keine Anlieferung mehr benötigt."

Der Auftragrückgang der Hufa liegt aktuell bei zwölf Prozent. Da kommt die schon zu Jahresbeginn vereinbarte Betriebsruhe während der Weihnachtsferien gerade recht. Bis Ende Januar will Hanke abwarten. "Eigentlich ist der Januar unser stärkster Monat, weil unsere Kunden im Dezember den Lagerbestand zunächst runterfahren und dann schlagartig wieder auffüllen. Aber momentan gehen ja alle in die Knie."