Kunst Die spannende Entdeckung eines Zeichners
Köln · Manchmal erinnert die Arbeit von Kunstexperten an einen großen Kriminalfall. Das war auch bei den mehr als 100 Zeichnungen des berühmten Freskenmalers Joseph Ignaz Appiani (1706-1785) der Fall. Lange befanden sich diese verborgen in der 70.000 Blatt umfassenden Grafiksammlung des Wallraf-Richartz-Museum und wurden fälschlicherweise einem anderen bekannten Kollegen, Girolamo Troppa, einem römischen Barockmaler, zugeordnet.
Das änderte sich, als Michael Venator und seine Kollegen die Zeichnungen genauer in Augenschein nahmen. „Zu den Auffälligkeiten bei Troppa gehören seinen großen Signaturen, die sich auch schon mal mitten im Bild befinden können. Diese Signaturen fanden wir auch bei dem vorliegenden Konvolut. Doch es gab Ungereimtheiten. So entdeckten wir auf den Blättern ein Wasserzeichen, den Baslerstab, der für einen Künstler aus dem Gebiet nördlich der Alpen spricht. Auch einige stilistische Dinge passten nicht zu Troppa“, erinnert sich Venator an seine Entdeckung.
Doch wer war der unbekannte Künstler, der diese Zeichnungen angefertigt hatte? „Wir hatten zunächst keinen Hinweis, um wen es sich handeln könnte. Deshalb haben wir alles zusammengetragen und so ein Täterprofil erstellt. Der Künstler musste nördlich der Alpen gelebt und gearbeitet haben. Wegen der venezianischen Züge der Arbeiten dürfte er aber in Norditalien ausgebildet worden sein. Mit diesen Daten haben wir dann in verschiedenen Datenbanken und Büchern nach dem Zeichner gesucht. So fanden wir eine Übereinstimmung bei einem Fresko aus dem Schloss Seehof bei Bamberg – es stammte von Appiani.“
Mit diesem Befund fängt die Arbeit der Forscher allerdings erst an, denn bei den anderen Zeichnungen konnten noch keine Treffer gelandet werden. „Der Grund war, dass es sich bei den Studien auf den Zeichnungen oft um belanglose Details im Hintergrund der großen Fresken handelte, die auf den kleinformatigen Abbildungen, die uns vorlagen, nicht auffindbar waren.“ So machte sich Venator mit seiner Kamera auf zu den Wirkungsstätten des in München geborenen Künstlers. Durch seine „Pilgerfahrt“ konnte der Experte viele der in Köln aufbewahrten Zeichnungen den großen Werken zuordnen. In einer Sonderausstellung wird diese Reise jetzt im Wallraf bis zum 6. Juni unter dem Titel „Abenteuer Appiani“ in einer Sonderausstellung präsentiert.
Über die Jugend von Joseph Ignaz Appiani, der seine italienischen Wurzeln am Luganersee hat, ist nur wenig bekannt. Es gibt nur drei Jugendarbeiten als Altarblätter oder an einem Bauernhaus. Bekannt wird er erst im Alter von 35 Jahren. Danach bekommt der Künstler in dichter Folge große Aufträge. Seine Werke finden sich vor allem im süddeutschen Raum. Dazu zählen beispielsweise Altarbilder, Deckengemälde und Fresken in der Klosterkirche Waldsassen, im Schloss Hauteville bei Vevey in der Schweiz, im Schloss Saarbrücken, im Schloss Seehof bei Bamberg, in der Mainzer Kirche St. Peter, im Neuen Schloss in Meersburg und als Highlight in der Wallfahrtskirche Vierzehnheiligen bei Bad Staffelstein. Diese Fresken konnten erst durch die Kölner Forscher Appiani zugeordnet werden. In seiner Wahlheimat Mainz, wo er seine zweite Ehefrau kennenlernte, war Appiani Gründer und Leiter der Kunstakademie.
Ein Ausstellungsbesuch
inklusive Bilderrätsel
Für die Besucher der Kölner Ausstellung bedeuten die kleinformatigen Zeichnungen mit Studien von Armen, Köpfen und Oberkörpern der Figuren auf den Aufnahmen der Fresken oft eine kleine Suchaufgabe – so wird der Rundgang im zweiten Obergeschoss zu einem spannenden Bilderrätsel. Wie die Zeichnungen nach Köln gekommen sind, ist noch unklar. Sie gehörten zur Sammlung von Ferdinand Franz Wallraf, der eigentlich kein Fan des Barocks war. „Möglicherweise kamen die Blätter durch einen Neffen Appianis in St. Ursula nach Köln. Es könnte auch sein, dass Wallraf bei einem Besuch in Mainz Appiani als Leiter der Kunstakademie persönlich begegnet ist“, vermutet Venator.
„Abenteuer Appiani“, Wallraf-Richartz-Museum, Obermarspforten, Köln, Öffnungszeiten: Di-So 10-18 Uhr, Eintritt: 8 (ermäßigt 4,50) Euro.