Geschichte Umgang mit der Kritik im Nationalsozialismus
Köln · Wie reagierten die NS-Machthaber auf offenen Widerspruch und kollektiven Unmut aus der Gesellschaft und welchen Platz wiesen sie beidem zu? Diesen Fragen geht die neue Sonderausstellung „Kritik im Nationalsozialismus“ nach, die das NS-Dok vom 13. September bis 16. Februar zeigt.
Das Thema beschäftigt Wissenschaftler und die Öffentlichkeit in Köln schon lange. 1974 richtete eine Ausstellung des Historischen Archivs erstmals den Blick auf den bis dahin als nahezu unerforscht geltenden Widerstand im nationalsozialistischen Köln und beleuchtete besonders prominente Widerstandsgruppen der Stadt.
Welchen generellen Stellenwert hatte Kritik in der NS-Diktatur
50 Jahre später nimmt das NS-Dok dieses Thema noch einmal auf, dreht aber die Perspektive: Statt die Gegner und Kritiker des Nationalsozialismus in Köln in den Mittelpunkt zu stellen, fragt das Kölner Ausstellungsteam nach dem generellen Stellenwert von Kritik in der NS-Diktatur: Welchen Platz wiesen ihr die Machthaber in der NS-Gesellschaft zu, wie reagierte sie auf private Meckerei oder auch öffentliche Kritik – und welche Konsequenzen hatte es überhaupt, kritisch zu sein?
Dafür wird die Ausstellung in zwei Teile gegliedert. Im ersten Teil laden die Ausstellungsmacher die Besucher in vier Themenbereichen dazu ein, den Umgang mit Kritik im Nationalsozialismus anhand von 60 Fallgeschichten eigenständig zu erkunden. Jeder Fall zeigt ein neues Bild von Repression und Gegenwehr in der NS-Gesellschaft. Es sind Fälle aus Köln, die aber stellvertretend für die Entwicklung im gesamten Deutschen Reich stehen.
Bei „Widerstand unterdrücken“ geht es um die drakonischen Strafen des Regimes zum Beispiel bei einem breit angelegten kommunistischen Netzwerk in Köln, das sich trotz der Repressalien und der Verfolgung immer wieder neu organisierte. Erst 1936 gelingt es der NS-Diktatur, das Netzwerk zu zerschlagen, den Anführer festzunehmen und zum Tode zu verurteilen. Es war bis Kriegsende das letzte Netzwerk seiner Art in Köln.
Der Themenblock „Meckerei steuern“ bezieht sich auf das private Umfeld unter Nachbarn, auf der Straße oder in der Kneipe. Es wird vom NS-Regime als eher harmlos bewertet, soll von aber überwacht und gesteuert werden. Eine zentrale Rolle spielt hier die Denunziation, wie beim Streit zweier Kölner Nachbarinnen. Hier wirft eine Frau der anderen vor, ihre Töchter in der Uniform des „Bund Deutscher Mädel“ staatsfeindlich beschimpft zu haben. Die Ermittlungen werden letztendlich von der Staatsanwaltschaft eingestellt.
Das Brauchtum, die Kirche sowie Kultur sind Bereiche des Blocks „Sagbarkeiten bestimmen“. Es geht hier darum, festzulegen, was sagbar ist und was nicht. Das gilt auch für den prominenten Fall des Karnevalsredners Karl Küpper, der die NS-Machthaber in der Bütt oft verhöhnt und verspottet hat. Er wird von der Gestapo beobachtet, darf aber zunächst weiter auftreten. Es als er 1939 das Winterhilfswerk und Hermann Göring ins Visier nimmt, bekommt er ein Redeverbot erteilt, das er aber ignoriert. Um der Verhaftung zu entgehen, meldet er sich schließlich bei der Wehrmacht und tritt später im „Fronttheater“ auf.
Bei „Unmut begegnen“ geht es um die öffentliche Meinung und die Stimmung in der Bevölkerung, die sich während des Bombenkrieges deutlich verschlechtert. Hier reagiert der NS-Staat mit gezielter Propaganda, aber auch mit Sozialleistungen als „Stimmungsaufhellern“. Ab 1943 gibt es die große Aktion „Front spricht zur Heimat“, bei der Soldaten vom Krieg berichten.
Die Geschichte des Begriffs „Widerstand“ in Deutschland
Im zweiten Teil der Ausstellung geht es darum, wie „Widerstand“ zu einem Kernbegriff des Gedenkens werden konnte. Er zeigt, wie Erfahrungen mit der radikalisierten NS-Politik in der Kriegsendphase das Nachkriegsverständnis von Widerstand prägten. Die erinnerungspolitische Debatte kulminierte in der großen Kölner Ausstellung von 1974. Deren Wirkung reicht noch bis in die Gegenwart und wird in der aktuellen Schau im NS-Dok kritisch hinterfragt.
Service: “Kritik im Nationalsozialismus” bis zum 16. Februar 2025 im NS-Dok am Appellhofplatz; Öffnungszeiten: Di-Fr 10-18, Sa+So 11-18 Uhr; Eintritt: 4,50 (ermäßigt 2) Euro.