Altstadt: Vor allem Migranten rasten aus
Junge Migranten suchen offenbar den Konflikt mit der Polizei. Die Gründe sind komplex.
Düsseldorf. Mit den Angriffen auf Polizisten haben die Probleme mit Suff und Gewalt in der Altstadt einen neuen Höhepunkt erreicht. Auffällig ist, dass offenbar vor allem Heranwachsende mit Migrationshintergrund den Konflikt mit den Ordnungshütern suchen. Ein Dienstgruppenleiter der Altstadt-Wache schreibt in seinem Brandbrief an den Polizeipräsidenten von libanesischen und nordafrikanischen Migranten, die aggressiv auftreten. Aziz Ejjiar und Michael Kipshagen von der Awo glauben: Für diese Jugendlichen sind die Polizisten das Gesicht einer Gesellschaft, in der sie sich benachteiligt fühlen.
Ejjiar und Kipshagen arbeiten für die internationale Jugendgerichtshilfe der Awo, die jährlich etwa 300 junge Straftäter betreut. Zudem hat Ejjiar jetzt ein Projekt gegen die Radikalisierung junger Moslems gestartet. Beide kennen die enorme Frustration der jungen Straftäter mit Migrationshintergrund. Frustration in doppelter Hinsicht: Sie fühlen sich perspektivlos in der Gesellschaft - und zudem von ihr nicht angenommen. Viele junge Migranten, sagt Ejjiar, verstecken sich regelrecht hinter einer angeblichen Diskriminierung.
Das gemeinsame Schicksal von Chancenlosigkeit und vermeintlicher Ausgrenzung verbindet. Doch obwohl sich laut Polizei regelmäßig Gruppen von bis zu 100 aggressiven Jugendlichen und Heranwachsenden in der Altstadt formieren, wollen Ejjiar und Kipshagen nicht von einer Gang-Kultur in Düsseldorf sprechen. "Straffällige Jugendliche kennen sich oft nur durch ihre Straftaten", sagt Ejjiar. Sie hätten informelle Kontakte, keine feste Struktur. Zusammenhalt gebe es nur punktuell, je nach Anlass.
In der Altstadt ist die Konfrontation mit der Polizei der Anlass. Die Polizisten verkörpern die Gesellschaft, von der sich die jungen Migranten ungerecht behandelt fühlen. Hinzu kommt: "Sie haben ein gestörtes Bild von der Rolle der Polizei", sagt Ejjiar. Für sie seien die Ordnungshüter nicht Freund und Helfer. Es gebe wenig positive Berührungspunkte. Diese Jugendlichen erlebten die Polizei meist als eingreifende Staatsmacht. Kipshagen: "Für sie ist ein Polizist in Uniform schon eine Provokation."
Diese Wahrnehmung zu verändern, ist laut Ejjiar der wichtigste Schritt zu einer Entspannung des Konflikts. Es müsse einen Dialog geben. Kipshagen glaubt, es könne sogar für Runde Tische von Stadt und Polizei zum Thema Altstadt in der Zukunft sinnvoll sein, auffällige Jugendliche einzubeziehen. Und die Awo hat vorgeschlagen, einem Modellprojekt in Berlin zu folgen, wo in Brennpunkten Sozialarbeiter mit der Polizei auf Streife gehen. Ein größeres Polizeiaufgebot in der Altstadt würde in Ejjiars Augen lediglich zu einer Verlagerung der Gewalt führen.