Serie „Nette Nachbarn“ Ein inklusiver Garten für die Nachbarschaft
Düsseldorf · An den Beeten in der Icklack kommen Menschen mit ganz unterschiedlichen Fähigkeiten aus dem Quartier zusammen. Ein Besuch.
Der Salat und die Radieschen lugen bereits etwas aus der Erde. Ansonsten grünt noch nicht so viel Gemüse in den Hochbeeten; es ist ja auch schließlich November. Lars und Beatrix zeigen sich mit ihren ersten Pflanzerfolgen aber dennoch zufrieden. „Im Frühling würde ich gerne Erdbeeren und Himbeeren pflanzen“, sagt Lars, der bereits Erfahrung mit Obstbäumen von einer vorherigen Tätigkeit mitbringt. „Petersilie und Schnittlauch wären auch schön. Zum Kochen!“, ergänzt Hiltraud Scharrier.
Die Seniorin wohnt in der Nähe der Freizeiteinrichtung Icklack, auf der seit Kurzem ein Bauwagen und ein paar Hochbeete stehen. Wichtiger als der Ernteertrag ist den dreien aber die Begegnung, die hier, inmitten Flingerns, zwischen Menschen mit unterschiedlichen Fähigkeiten und Stärken stattfinden kann. Denn das gemeinsame Gärtnern verbindet – und ermöglicht eine soziale Teilhabe im Quartier, die für Lars und Beatrix nicht immer selbstverständlich ist.
Genau das ist aber das Ziel des inklusiven Nachbarschaftsgartens, der nun an die städtische Freizeiteinrichtung Icklack angedockt ist. „Wir wollen Menschen, die eine Beeinträchtigung oder Lernschwierigkeiten haben, eine Möglichkeit bieten, hier ihr kreatives Potenzial zur Bereicherung der Gesellschaft zu entfalten“, sagt Benjamin Freese von der gemeinnützigen GmbH „In der Gemeinde leben“ (IGL), welche das Projekt betreut.
Zwar gebe es mittlerweile mehrere Inklusionsansätze und -projekte in der Stadt. Diese seien aber häufig nicht dauerhaft oder niedrigschwellig genug ausgelegt. Es gebe schlicht kaum öffentliche Orte außerhalb der Einrichtungen, wo so eine Begegnung stattfinden kann, sagt Freese. „Dabei ist die Sichtbarkeit von Menschen mit Beeinträchtigung im Alltag wichtig. Damit es eben nicht mehr etwas ,Besonderes’ ist, sondern die Menschen auch ein ganz normaler Teil der Nachbarschaft werden können. Sonst lebt jeder nur in seiner eigenen Welt.“
Betreuer sind mit sozialen Initiativen im Stadtteil verknüpft
Die Idee mit dem mobilen Quartiersgarten, der aus einem Bauwagen und einigen speziellen Hochbeeten besteht, sodass diese auch Menschen im Rollstuhl bepflanzen können, sei von den Klienten der IGL mitentwickelt worden. Vor zwei Jahren war das Projekt gestartet, damals noch am „Vielplatz“ an der Flurstraße 32. Dort hatte sich bereits seit Jahren eine engagierte Nachbarschaftsinitiative darum bemüht, mit viel Mühen und gemeinschaftlicher Arbeit einen kleinen Hinterhof-Spielplatz zu einem Quartiertreff aufzuwerten. Zum Leidwesen dieser Nachbarschaft hatte die Stadt jedoch vergangenes Jahr beschlossen, große Umbaumaßnahmen am Platz einzuleiten. Das hatte schließlich nahezu zum Erliegen der „Vielplatz“-Initiative geführt – und auch den inklusiven Nachbarschaftsgarten zum Umzug gezwungen. „Das war zwar schade, aber wir sind froh, jetzt einen neuen, zentralen Ort im Stadtteil gefunden zu haben.“
Die Icklack ist nicht nur eine städtische Freizeiteinrichtung für Kinder und Jugendlichen mit großen Spielflächen, die Betreuer sind auch mit anderen sozialen Initiativen im Stadtteil verknüpft. Über das Jahr verteilt finden dort einige Veranstaltungen wie „Flingern gesund bewegt“ statt, an denen auch viele Familien teilnehmen, erzählen Sozialarbeiter Mohamed Elaradi und der Einrichtungsleiter Peter Saatkamp. Der Kontakt zur Garten-AG der benachbarten Grundschule für eine gemeinsame Pflanzaktion im inklusiven Garten wurde bereits hergestellt. Solche Begegnungen würden Barrieren senken und Vorurteile abbauen, sagt Freese. „Dann können unsere Klienten auch die Fähigkeiten zeigen, die in ihnen stecken.“
Für das kommende Jahr sind einige Veranstaltungen und Workshops geplant, mit denen man das Projekt den Nachbarn vorstellen möchte. Solche wie Hiltraud Scharrier, die die inklusive Arbeit der IGL bereits von anderen Projekten kennt. „Sicher ist das Projekt auch für ältere Menschen interessant. Vereinsamung ist ein großes Problem unter Senioren“, sagt sie. Die Beteiligten hoffen, dass die Menschen in ihrem Viertel auch einfach so beim Nachbarschaftsgarten vorbeikommen wollen und sich das Projekt einmal anschauen. „Und wenn es auch nur für eine Tasse Kaffee ist“, sagt Freese.