Buch: „Ehrenmorde gibt es auch hier“
Justiz-Skandal: Gülsen Celebi hat ein Buch über den Doppelmord in Mönchengladbach geschrieben.
Düsseldorf. Rukiye P. und ihre Tochter Derya könnten noch leben - wenn die Behörden schneller reagiert hätten. Die Düsseldorfer Anwältin der beiden, Gülsen Celebi, sprach nach dem Tod der Frauen von einem Justiz-Skandal. Diese Vorwürfe wiederholt sie nun, ein Jahr nach der Tragödie, in ihrem Buch "Kein Schutz, nirgends". Sie erzählt die Geschichte der Familie, die vor dem Mord jahrelang unter der Brutalität von Erol P. zu leiden hatte.
Der Türke mit niederländischem Pass sperrte seine Frau Rukiye jahrelang ein, schlug sie, vergewaltigte sie mehrfach. Auch die drei Kinder litten unter seiner Gewalttätigkeit. Als sich Rukiye scheiden ließ, endete das Martyrium nicht. Im Gegenteil: Erol überwachte seine Familie nun Tag und Nacht, saß stundenlang im Auto vor der Wohnung, beschimpfte Frau und Kinder.
Am 1. August 2006 zeigt Rukiye ihren Mann schließlich wegen Vergewaltigung, Nötigung, Bedrohung und Freiheitsberaubung an. Doch erst am 14. Februar 2007 schreibt der Staatsanwalt Erol P. zur Fahndung aus. Verhaftet wird er nicht sofort. Auch nicht im Familiengericht, als er überraschend beim Sorgerechtsprozess um seine Kinder auftaucht.
Der Hinweis eines Richters, dass er sofort festgenommen werden müsse, wird nicht weitergegeben. Kurz nach der Verhandlung tötet er seine Frau und seine Tochter auf offener Straße in Mönchengladbach mit mehreren Kopfschüssen. Mordete er, um seine Ehre wiederherzustellen?
"So etwas wie einen Ehrenmord kann man nicht beweisen", sagt Gülsen Celebi. Trotzdem gäbe es diese Form des Tötens. Nicht nur in islamisch geprägten Ländern, sondern auch in Deutschland. So sei der Leidensweg von Rukiye kein Einzelfall. "Die Menschen wissen viel zu wenig darüber, wie verletzt Frauen sind, die in Gewaltbeziehungen leben." Rukiye zum Beispiel habe beim ersten Treffen gesagt, dass sie nur noch für ihre Kinder lebe. Innerlich sei sie schon vor Jahren gestorben. "Vor mir saß eine kleine, gebrochene Frau. Schrecklich."
Celebi sagt, dass Gewalt in Deutschland viel zu oft toleriert werde. Jeder kümmere sich fast nur um sich selbst, es sei den Leuten unangenehm, sich in das Privatleben anderer einzumischen. Auch dann, wenn nachweislich Gewalt ausgeübt wird. Selbst wenn ein Opfer bereits Hausverbot und Verweise erwirkt habe, bekomme es selten Hilfe. "Die Vollstreckung durch die zuständigen Behörden fehlt oft völlig."
Wie im Fall von Rukiye. Oft rief sie die Polizei, suchte Schutz vor ihrem brutalen Mann. Geholfen wurde ihr, nach Aussage von Celebi, erst viel zu spät. Es sei nie aufgeklärt worden, warum die Behörden Erol P. nicht früher verhafteten. "Eine Verkettung von unglücklichen Umständen führte zu der furchtbaren Tragödie", sagt Ulrich Hermanski. Der Sprecher des NRW-Justizministeriums sagt, der Fall sei sehr intensiv geprüft worden. "Natürlich gab es ein Disziplinar-Verfahren. Belangt wurde jedoch niemand." Zuvor hatte die Krefelder Staatsanwaltschaft Ermittlungen eingeleitet - dann aber eingestellt.
Erol P. ist mittlerweile wegen zweifachen Mordes und Vergewaltigung zu lebenslanger Haft mit Sicherheitsverwahrung verurteilt worden. Doch seine Verteidigung ist bereits in Revision gegangen.