Streetwork in Düsseldorf „Altstadt und Rheinufer sind sicherere Orte geworden“

Düsseldorf · Weniger Messer und Gewalttaten – aus Sicht von Streetworker, Polizei und Gastronomen hat sich die Lage in diesem Jahr beruhigt.

 Die Streetworker Derick Addy (l.) und Thiemo Imhof von „KohleG“.

Die Streetworker Derick Addy (l.) und Thiemo Imhof von „KohleG“.

Foto: Hans-Juergen Bauer (hjba)

Kaum ein Wochenende in den vergangenen drei Jahren verging ohne Gewalt und Verletzte in der Altstadt. Doch zuletzt ist es ruhiger geworden um die Jugendgruppen am Rheinufer – ein zumeist friedlicher Altstadt-Sommer geht zu Ende. Was hat sich verändert?

„Die Altstadt und das Rheinufer sind sicherere Orte geworden“, sagt Thiemo Imhof. Die Streetworker von „KohleG“, die im Auftrag der Stadt unterwegs sind, haben zwei Sommer in der Altstadt verbracht und nun Bilanz gezogen. Zu Beginn der Tätigkeit, im Mai 2022, habe das Team noch eine „Aufrüstungsspirale“ beobachtet – immer mehr Jugendliche und junge Erwachsene hatten Messer oder andere Waffen dabei. Oftmals mit der Begründung, dass sie sich damit selbst verteidigen wollten. Diese Entwicklung habe man stoppen können, so Imhof. Im vergangenen Jahr habe er noch drei Situationen erlebt, in denen Jugendliche ein Messer zückten, in diesem Jahr keine. „Gleichzeitig beobachten wir in diesem Jahr schon deutlich weniger intensive Gewaltausbrüche und mussten deshalb auch seltener die Polizei hinzurufen“, sagt Streetworker Derick Addy. Polizei und Ordnungsdienst hatten zuletzt ihre Kontrollen verstärkt und teils 10.000 Menschen vor den Toren der Altstadt nach Waffen durchsucht. Die Ursachen der Gewalt herauszufinden und anzugehen, sei aber ebenso wichtig, so die Streetworker.

Die Zielgruppe sind alle zwischen zwölf und 27 Jahren, insbesondere Jugendliche mit erhöhtem Gewaltpotenzial. Insgesamt 750 Mal haben die Sozialarbeiter in der Altstadt Jugendgruppen kontaktiert und fast 1900 Gespräche mit einzelnen Personen geführt. Mehr als die Hälfte davon waren Wiederholungskontakte. Das zeige, dass die Beziehungsarbeit funktioniere, so die Streetworker. „Die Gespräche mit uns bekannten Gruppen sind oft sehr intensiv und können auch schon mal anderthalb Stunden dauern“, sagt Derick Addy. Insbesondere im Winter, wenn weniger los sei, könnten die Streetworker dort Vertrauen aufbauen und auch weiterführende Hilfen anbieten.

Streetworker betrachten das gesamte Umfeld der Jugendlichen

Die Streetworker arbeiten auf der Straße auch konfrontativ. Das heißt, sie intervenieren bei Streitigkeiten, sprechen Jugendliche direkt an, gehen auch in einigen brenzligen Situationen dazwischen. 230 solcher Fälle zählten die Streetworker, 21 Mal riefen sie Polizei oder Ordnungsdienst hinzu. „Die Bandbreite erstreckt sich von Spaßkämpfen und dummen Sprüchen bis zu Beleidigungen und echten Handgreiflichkeiten“, sagt Addy. In der Beratung verfolgen die Sozialarbeiter einen systemischen Ansatz, sagt Imhof, betrachten also das gesamte Umfeld der Jugendlichen. Oftmals gebe es Probleme und Frustrationen in Job, Ausbildung, Schule oder Familie, die sich schließlich in Gewalt äußern. 2022 nahmen wöchentlich vier Jugendliche die Beratung der Streetworker wahr, in diesem Jahr waren es bis zu sieben pro Woche. Die meisten brauchen Hilfe bei der Job- oder Wohnungssuche, bei Anträgen oder Behördengängen, aufenthaltsrechtlichen oder gerichtlichen Angelegenheiten.

Die Wirkung der Streetwork-Arbeit bestätigt Düsseldorfs Oberbürgermeister Stephan Keller (CDU). Sie sei ein wichtiger Bestandteil des Projekts „Sicherheit in der Innenstadt“ (SIDI), das auch die Waffenverbotszone, eine Aufstockung des Ordnungsdienstes, eine verbesserte Beleuchtung und eine gemeinsame Anlaufstelle von Polizei und Ordnungsdienst umfasst. „Mehr noch als es ordnungsbehördlich möglich ist, gehen die Streetworker das Problem im Kern an, bauen Vertrauen zur Zielgruppe auf und bieten weiterführende Hilfe an“, so Keller. Der Oberbürgermeister sagte darum eine Weiterführung der Streetwork-Arbeit zu – das Projekt war zunächst bis Oktober dieses Jahres befristet.

„Die Altstadt ist wieder belebter“, sagt auch Thorsten Fleiß, Leiter der Polizeiinspektion Mitte. Die Kriminalitätszahlen lägen zwar erst Ende des Jahres vor, doch auch er habe den Eindruck, dass es ruhiger und friedlicher geworden ist in der Altstadt. Größere Veranstaltungen wie die Büchermeile seien zurückgekehrt, das Publikum wieder deutlich durchmischter. Das sorge für mehr soziale Kontrolle, sagt Fleiß. Denn in der Regel komme es zwischen den Jugendgruppen zu Auseinandersetzungen. Halten sich aber am Burgplatz, am Rheinufer oder in den Gassen noch weitere Menschen auf, kämen die Gruppen sich nicht so schnell in die Quere. Auch die Streetworker, ihr Zugang zu den Jugendgruppen, hätten großen Anteil daran, so Fleiß. Herausragende Gewalttaten kamen in diesem Jahr seltener vor, sagt der Polizeidirektor. Bei den großen Waffenkontrollen – wie zuletzt vor zwei Wochen – fänden die Einsatzkräfte dennoch immer wieder Messer und Waffen wie Schlagringe und Schlagstöcke.

Auch Isa Fiedler, Sprecherin der Altstadt-Wirte, lobt die Resultate der Sozialarbeit, aber ebenso die ordnungsbehördlichen Kontrollen. „Die Mischung macht’s“, sagt Fiedler. Die Knoten-Chefin verspreche sich zudem viel von dem neuen Lichtkonzept, das ebenfalls im städtischen SIDI-Projekt entstanden ist.

Am Johannes-Rau-Platz, am Alten Hafen und an der Rheinuferpromenade werden neue Leuchten aufgestellt oder durch hellere Laternen ersetzt.