Düsseldorfs China-Strategie „China ist in der Lage, schnell zu reagieren“

Düsseldorf · Der OB spricht nach der China-Reise über Huawei, Menschenrechte und eine mögliche Windkraft-Produktion.

Oberbürgermeister Stephan Keller (CDU) plädiert für Offenheit im Umgang mit chinesischen Unternehmen.

Foto: Bretz, Andreas (abr)

Bei seinem Aufenthalt mit einer Wirtschaftsdelegation besuchte Oberbürgermeister Stephan Keller (CDU) Shanghai und Shenzhen und traf dort die Bürgermeister, Vertreter Düsseldorfer Unternehmen wie von Henkel und Rheinmetall sowie von chinesischen Firmen, die sich für den Standort Düsseldorf interessieren.

Herr Keller, welches Bild haben Sie nach Ihrer Reise von China?

Stephan Keller: Es ist ein sehr differenziertes Bild. Ich war sehr beeindruckt vom Entwicklungstempo, von der schieren Größe und von der Kraft und Entschlossenheit, mit der dieses Land seinen Weg an die Weltspitze geht. Ich bin allerdings auch noch nie an so vielen Gesichtsscannern vorbeigelaufen. Wenn es dunkel ist, blitzt es permanent um einen herum, weil man erfasst wird. So gibt es in diesen Städten so gut wie keine Kriminalität. Der Preis für diese Art der Problemlösung kann natürlich nicht stimmen.

Auch wirtschaftliche Kontakte waren Ihnen wichtig. Mit welchen Ergebnissen?

Keller: In Shanghai ist unsere Messe mit weiteren deutschen Gesellschaften neben einem chinesischen Partner an einem Standort beteiligt. Für eine große Messe dort haben wir eine Kooperationsvereinbarung geschlossen. Diese Positionierung war uns auch aufgrund einer neuen Konkurrenz durch ein staatlich geführtes Messegelände wichtig.

In Shenzhen hat Ihnen der Bürgermeister angeboten, ein Messebüro zu eröffnen. Nehmen Sie an?

Keller: Das wird eine Entscheidung der Messe. Zu spüren war eine gewisse Konkurrenz der chinesischen Städte zueinander, da wir in Shanghai unsere größte Messetochter in Asien haben.

Sie haben Huawei in Shenzhen besucht. Das Unternehmen will in Düsseldorf seine Europazentrale konzentrieren. War das mögliche Verbot von Komponenten des Unternehmens im 5G-Netz Thema?

Keller: Es hing über allen Diskussionen. Wobei wir deutlich gemacht haben, dass wir das nicht beeinflussen können. Die Frage, ob wir Huawei und auch ZTE in kritischen Infrastrukturen in Deutschland weiter aktiv sein lassen, müssen andere beantworten. Solange Huawei legal handelt, ist das Unternehmen in Düsseldorf herzlich willkommen.

Wird Huawei in Deutschland fair behandelt?

Keller: Die Sicherheitsüberprüfung ist richtig. Es wäre naiv, nicht richtig hinzuschauen.

Hatten Ihre Gesprächspartner in China dafür Verständnis?

Keller: Nein, die fühlen sich ungerecht behandelt. Und weisen darauf hin, dass ein Aussperren chinesischer Unternehmen eine große Abhängigkeit von wenigen verbleibenden zur Folge hätte.

Welche Schlüsse ziehen Sie aus dem in China beobachteten Tempo für die Prozesse hier?

Keller: Dort wird ein Tempo vorgelegt, das wir nicht mitgehen können und das uns ins Hintertreffen geraten lässt. Der rasante Fortschritt wird allerdings mit Eingriffen in Freiheitsrechte erkauft, was wir nicht zulassen dürfen. Aber es gibt Anlass, Dinge zu hinterfragen.

Welche zum Beispiel?

Keller: Die Dauer von Planungs- und Genehmigungsverfahren. Man sieht ja, dass Deutschland in der Krise schnell reagieren kann, wie die LNG-Terminals zeigen.

Welches Potenzial sehen Sie kommunal?

Keller: Bei den großen Transformationsprozessen für Digitalisierung und Klimawende haben wir wenig Einfluss. Aber auch wir müssen Prozesse beschleunigen. Während wir bei 5G gut dastehen, hinken wir beim Glasfaserausbau hinterher, deshalb haben wir jetzt eine eigene Gesellschaft gegründet. Bei der Digitalisierung von Dienstleistungen werden wir durch eine Fülle von Vorgaben eingeschränkt. Auch wenn ich offen zugebe, dass wir nicht alle kommunalen Potenziale ausgeschöpft haben.

Welche Chinastrategie verfolgen Sie für den Standort Düsseldorf?

Keller: Wir wollen offen bleiben für chinesische Unternehmen. Da wir davon profitieren werden. Schon allein unsere Energieziele erreichen wir nicht ohne China. Jedes Solarmodul, das wir als Stadt verbauen, kommt aus dem Land. Wir wollen, dass sich bei uns weitere Unternehmenszentralen ansiedeln und hier gegebenenfalls auch produziert wird. Daran hat zum Beispiel der Windkrafthersteller Mingyang Smart Energy Interesse bekundet. Das wollen wir gerne ermöglichen. Dazu soll es jetzt weitere Gespräche geben. Warum sollte eine solche Produktion etwa auf dem Vallourec-Gelände in Rath nicht im Interesse Düsseldorfs sein?

Das Verhältnis zu China ist angespannt. Wie ist das Bild von China von uns derzeit?

Keller: Auf politischer Ebene war man dankbar, dass wir den Kontakt gesucht haben. Beide Bürgermeister haben großes Interesse signalisiert, Kooperationen auszubauen. Verunsicherung war eher in Wirtschaftskreisen spürbar. Wir wurden konkret gefragt, wie zukunftsfähig Investments in Deutschland noch sind.

Haben Sie das Thema Menschenrechte angesprochen?

Keller: Nein, auf kommunaler Ebene ist das nicht unser Thema.

Warum nicht?

Keller: Das sind Fragen, die anderswo entschieden werden.

Es fällt dennoch auf, etwa beim Reisebericht in Ihrem Blog, dass kein kritisches Wort über China fällt. Warum blenden Sie das Thema Menschenrechte aus?

Keller: Bei dieser Reise ging es ausschließlich um Wirtschaftsförderung und zwischenmenschliche Kontakte. Dabei handelt es sich um eine Kommunikationsebene unterhalb dieser Themen.

Sie betonen zudem vor allem die Chancen, sehen Sie nicht auch wirtschaftliche Risiken im Ausbau wirtschaftlicher Beziehungen zu China, vor allem im Hinblick auf einen möglichen Angriff auf Taiwan? Der Krieg in der Ukraine hatte enorme Folgen für Düsseldorfer Unternehmen, auch die Messetochter in Moskau.

Keller: Risiken gäbe es, wenn wir uns abhängig machen. Das ist aber nicht die Politik der Stadt. Wir wollen weiter diversifizieren und insbesondere in Asien weitere Märkte in den Blick nehmen, wie Südkorea. Ich werde im Laufe des Jahres auch noch nach Indien reisen.

Auf welche Szenarien stellen Sie sich ein, falls es doch zu einem Angriff von China auf Taiwan kommen sollte?

Keller: Das habe ich im Vorfeld der Reise beim Generalkonsul angesprochen. Wenn China einen nicht-friedlichen Weg in der Taiwan-Frage geht, wird es zu ähnlichen Disruptionen kommen wie im Verhältnis zu Russland.

Die Bundesregierung sucht noch nach einer gemeinsamen China-Strategie. Wirtschaftsminister Habeck war noch nicht da. Was raten Sie ihm?

Keller: Hinfahren. Ich halte es für ein Versäumnis, noch nicht dagewesen zu sein.