Große Party an der Rennbahn

Von Indiepop bis HipHop: Beim Open-Source-Festival feiern 4.000 Fans die Bands Tocotronic und The Streets.

Düsseldorf. Die Sonne ist längst hinter der Silhouette des Grafenberger Waldes verschwunden, als Dirk von Lowtzow den ironischsten Augenblick des diesjährigen Open-Source-Festivals produziert. Nicht nur, dass sich der Sänger der Headliner-Band Tocotronic zur Begrüßung vor den Open-Air-Besuchern an der Düsseldorfer Galopprennbahn verbeugt wie der Conférencier eines Varieté-Theaters (nämlich mit der Nasenspitze auf dem Boden). Nein, der blassgesichtige Musterschüler des deutschen Diskurs-Pop streckt auch noch die Arme aus wie ein Enkel Freddie Mercurys und dekretiert feierlich: "It’s party time".

Angesichts der emotionalen Verfasstheit des tocotronischen Liedguts ist ein derartiges Zeremoniell natürlich der blanke Hohn: Die Indie-Musiker aus Hamburg, die nun schon seit mehr als 15 Jahren eine Band bilden, sind nämlich Hymniker der Übellaunigkeit. Auch in Düsseldorf-Grafenberg erinnern sie an den Außenseiterjungen im schwarzen Rollkragenpullover, der das vergnügte Treiben auf dem Kindergeburtstag mit Argwohn und einem Funken Verachtung in den Augen beobachtet. Natürlich ist eine solche Haltung bei einer Band, die Popmusik als Denksport betreibt, ein akribisch durchdachtes Konzept.

"Sag alles ab", "Ich bin viel zu lange mit euch mitgegangen" oder "Mein Ruin" heißen dementsprechend einige der Songs, die Tocotronic in einem sachlichen Gitarrenpop-Stil intonieren, und man kann sich ihrem grimmigem Sog kaum entziehen. Ganz nebenbei ruft die Band ins Gedächtnis, dass Pop durchaus auch etwas mit Protest zu tun haben kann. Selbst bekannte Hits aus der Indie-Disco wie "Let There Be Rock" oder "Freiburg" pieksen wie unliebsame Stacheln.

Wie anders dagegen der Auftritt des britischen HipHop-Projekts The Streets, der dem Tocotronic-Konzert vorausgeht. Da wird die Devise "Party Time" tatsächlich beim Wort und nicht als Witz in Beschlag genommen.

Mike Skinner alias "The Streets", der hibbelige Zampano des Kollektivs, stürmt im Urlauber-Outfit mit Hut und kurzer Hose auf die Bühne und gibt sich alle Mühe, Sommerstimmung zu verbreiten. Seine zwischen Rap, Garage und Funk oszillierenden Songs spielen diesem Vorhaben entgegen. Ob spannungsgeladene Aufputschmittel wie "Let’s Push Things Forward" oder relaxter Hippie-Soul wie "Everything Is Borrowed": Mike Skinner verwebt mit viel Geschick verschiedene Spielarten der Black Music zu einem lässigen Sampler für Großstadtcowboys.

Dabei sollte ihm die Oxford University einen Preis für Verdienste an der englische Sprache verleihen. Seine im Londoner Cockney-Akzent gerappten Prosa-Stücke sind herrlich anzuhören - nicht nur der Aussprache wegen, auch aufgrund ihres dynamischen Grooves.

So sind The Streets und Tocotronic die Höhepunkte eines Festivals, das sonst auf kleine elektronische Acts setzt - und dessen Kulisse typisch ist für den Hang Düsseldorfs zum Mondänen. Während Open-Airs andernorts auf den schlammigen Flächen einstiger Militärflughäfen oder Braunkohle-Gebiete stattfinden, so muss es in der Landeshauptstadt das gepflegte Ambiente einer Galopprennbahn sein - samt Ausblick auf einen angrenzenden Golfplatz.