Interview: Tatjana Strobel über Barack Obamas emotionale Ohrläppchen
Seminar: Tatjana Strobel liest im Gesicht, ob jemand lügt – oder ob er ein netter Mensch ist. Am 2. August ist sie in Düsseldorf.
Frau Strobel, wie wird man professionelle Menschenkennerin?
Tatjana Strobel: Menschen standen für mich schon immer im Mittelpunkt. Wahrscheinlich liegt es daran, dass ich einen behinderten Bruder habe. Ich war drei, als er auf die Welt kam. Jahrelang wusste keiner, was mit diesem Kind nicht stimmte. Das hat bei uns allen in der Familie sehr feine Antennen ausgeprägt. Dann habe ich als Sozialpädagogin mit Kindern gearbeitet, später im Vertrieb großer Firmen. Menschen faszinieren mich.
Wie treffsicher sind Sie heute darin, zu erkennen, ob jemand lügt?
Strobel: Keiner kann das mit 100-prozentiger Sicherheit sagen. Aber man kann sehen, wenn ein Mensch sich unwohl fühlt, wenn in ihm etwas passiert.
Was sind die Anzeichen?
Strobel: Asymmetrien in der Mimik oder abrupt auftauchende Emotionen - wenn jemand zum Beispiel erst sehr ernst ist und dann plötzlich zu lachen anfängt. Wischen über den Tisch ist auch ein klassisches Indiz: Es ist, als würde man seine eigenen Worte wegwischen. Oder der Blick wandert von links unten nach rechts oben, das Gegenüber kann den Blickkontakt nicht halten.
Ist es nicht lästig, immer zu merken, wenn man angeschwindelt wird?
Strobel: Das stimmt. Manchmal will man es gar nicht wissen. Aber gefühlsmäßig merken wir doch meist ohnehin, ob wir belogen werden. Bei mir ist es mittlerweile ein Automatismus, auf die Anzeichen zu achten. Und dann lächle ich meist einfach in mich hinein.
Sie erkennen aber nicht nur, ob jemand lügt. Sie beurteilen auch den Charakter anhand von Gesichtszügen. Wie das?
Strobel: Wir haben insgesamt 330 Merkmale, die auf den Charakter hinweisen. Menschen etwa, bei denen die Oberlippe wie ein Herz aussieht, haben ein gutes Einfühlungsvermögen; genau wie Menschen mit einer sehr geraden Stirn. Viel Fleisch an der Nase bedeutet: Teamplayer. Ebenso ein gerades Kinn. Ist das Kinn hingegen ausgeprägt und steht nach vorn: Das sind Menschen, die durchziehen, machen - denken Sie an Michael Schumacher. Man kann viele Grundtendenzen im Gesicht lesen.
Bedeutet das dann nicht auch, dass der Charakter - genau wie das Aussehen - angeboren ist?
Strobel: Aber das Gesicht verändert sich doch auch. In den letzten Jahren habe ich das oft erlebt: Ein Mensch hat nach einem Schockerlebnis zum Beispiel plötzlich eine sehr schmale Oberlippe bekommen. Der Mensch ist der Spiegel seiner Seele.
Haben Sie prominente Beispiele für uns?
Strobel: Aber ja: Angela Merkel! Ihre Mundfalten sind tiefer eingegraben, die Lippen sind schmaler geworden, die Nasenpartie ausgeprägter. Sie ist sauer. Und in der letzten Zeit um Jahre gealtert. Oder schauen Sie sich Robbie Williams an: Früher hatte er runde, große Augen, volle Lippen. Heute ist an diesem Mann fast alles kantig. Das Kinn ist ausgeprägter, das Gesicht quadratischer. Und ganz auffällig: Seine Unterlippe ist nach außen gewölbt. Die Unterlippe ist die Suchtlippe - er hat ein enormes Suchtpotenzial. Ebenso wie übrigens Amy Winehouse.
Was sagt die Menschenkennerin zu Everybody’s Darling Barack Obama?
Strobel: Ach, den würde ich gern mal kennen lernen! Sein dreieckiges Gesicht steht für Diplomatie und Bauchgefühl. Er hat abstehende Ohren, das heißt, er zieht sein Ding durch, ist unangepasst. Außerdem hat er kleine Knubbel an der Ohrleiste: Demnach ist er sehr spirituell. Und seine hängenden Ohrläppchen stehen für Emotionalität. Was ihm fehlt, ist ein bisschen die rationale, logische Seite.
Sie gehen jetzt auf Seminar-Tournee, sind am 2. August auch in Düsseldorf. Warum die Workshops? Wäre die Welt besser, wenn wir alle einander lesen könnten wie Bücher?
Strobel: Wenn wir mal wieder anfangen hinzuschauen, ist für die Welt jedenfalls viel getan. Wir sind so mit uns selbst beschäftigt - und gerade wir Deutschen so mit unseren Schwächen statt unseren Besonderheiten. Wir sollten unseren Blick für andere einfach mal wieder etwas schärfen.