Von Kauflust zur Sucht: Studie aus Düsseldorf sucht Gründe
Die Düsseldorfer Forscherin Sinje Meiners untersucht, warum Menschen anfangen, wie im Rausch zu shoppen.
Frau Meiners, wann wird Kauflust zu Kaufsucht?
SinjeMeiners: Das entscheidende Kriterium ist immer der Leidensdruck. Wenn das Kaufverhalten soziale oder finanzielle Auswirkungen hat, die Betroffenen keine Kontrolle mehr über den Kaufdrang haben. Viele beschreiben ihn als absolut unwiderstehlich.
Meiners: In Extremfällen driftet es in die Kriminalität ab - man kauft zum Beispiel mal unter falschem Namen. Aber klassischerweise werden eher Schulden gemacht.
Meiners: Es sind nicht immer die ganz großen Dinge. Oft macht es die Masse. Frauen kaufen, was Frauen eben kaufen: Schuhe, Make-up, Kleidung. Bei Männern ist es eher Technik - Fernseher, Autozubehör. Aber es gibt auch Menschen, die in die Stadt gehen und etwa fünf gleiche T-Shirts kaufen, von denen sie wissen, dass sie damit nichts anfangen können.
Meiners: Das ist in der Forschung umstritten. Viele Betroffene sagen, das Kaufen selbst gibt ihnen einen Kick. Ihre Laune verbessert sich, es tritt eine Euphorie ein. Das Kaufen wird benutzt, um Stimmungen zu regulieren.
Meiners: Wenn es der einzige Weg ist, die Stimmung zu verbessern, dann schon.
Meiners: Betroffene sagen oft, dass sie es erst überhaupt nicht bemerkt haben. Erst, wenn sie schon ganz tief in die Schulden gerutscht sind.
Meiners: Man hat lange geglaubt, Kaufsucht sei ein Frauenproblem. Neuere Studien hingegen zeigen, dass es gleich verteilt ist. Gerade bei Männern und jungen Menschen ist die Sucht sogar auf dem Vormarsch.
Meiners: Alle. Aus allen sozialen Schichten, allen Altersgruppen.
Meiners: Bisher ganz wenige. Meine Studien ist eine der ersten, die sich damit beschäftigt. Ein Ansatz ist, dass die Kaufsucht vor allem materiell fixierte Menschen betrifft. Andere glauben, dass der Mechanismus, seine Stimmung durch Kaufen zu regulieren, sich einfach verselbstständigt.
Meiners: Eigentlich nicht. Der Psychiater Emil Kraepelin hat schon Anfang des 20. Jahrhunderts darüber geschrieben. Es ist kein neues Phänomen. Aber ja: Es ist ein Trendthema. Erst seit Ende der 80er Jahre ist es wirklich Gegenstand der Forschung.
Meiners: Das ist ein Streitpunkt. Schließlich gibt es zum Beispiel keine körperliche Abhängigkeit. Viele sehen es eher als eine Impulskontrollstörung.
Meiners: Genau. Ziel kann es nicht sein, gar nicht mehr zu kaufen. Es muss ein angemessenes Konsumverhalten antrainiert werden. Mit Verhaltenstherapie lässt sich das Problem gut bekämpfen.
Meiners: Bei entsprechendem Leidensdruck, ja. Ich berate gern, aber ich zwinge es niemandem auf. Einige sind interessiert an Hilfe - andere spüren die Auswirkungen noch nicht so stark, dass sie etwas ändern wollen. Das Problem: Es gibt zwar Behandlungsmethoden, aber nur wenige bieten sie an. Aber auch in Düsseldorf gibt es spezielle Selbsthilfegruppen.