Wagenengel mit Vollkörper-Kontakt

Mittendrin statt auf dem Wagen: WZ-Redakteur Dieter Sieckmeyer war als Ordner beim Zoch dabei.

Foto: David Young

Düsseldorf. Zugegeben, ich hatte originellere Kostüme als den orange-farbenen Plastik-Wams eines Zugbegleiters. Aber wer den Rosenmontagszug schon aus allen möglichen Perspektiven, oft auch vom Wagen aus, erlebt hat, den juckt die Aufgabe: Einmal etwas Sinnvolles im Karneval machen. Als Melanie Schwemin und Isa Fiedler Ordner für den Wagen der Närrischen Marktfrauen suchten, brauchte ich nicht lange nachzudenken. Mittendrin statt auf’m Wagen — es wurde ein besonderes Zoch-Erlebnis.

Die Karnevalisten wissen offenbar, was sie an ihren Zugbegleitern haben. „Bist du heute Wagenengel?“, wurde ich von CC-Präsident Josef Hinkel freundlich begrüßt. Meine Aufgabe ist klar definiert: Vor einigen Jahren hat das Carnevals Comitee angeordnet, dass an jeder Achse eines Wagens ein Ordner stehen muss. Mein „Arbeitsplatz“ war der Traktor vor Wagen 16, das in diesem Jahr komplett neu gebaute Gefährt der Närrischen Marktfrauen.

Treffpunkt war schon morgens um 11 kurz vor der Rheinterrasse, obwohl der Zug erst eineinhalb Stunden später startete. Während die anderen sich bald das erste Bier aufmachten, gab es für mich eine Tüte Orangensaft. Wagenengel haben strenges Alkoholverbot, das auch eingehalten wird.

Warum das so ist, bemerkte ich bereits nach wenigen Metern. Denn schon am Rheinufer wurde es rappelvoll. Offenbar hoffen viele Familien, dass die Narren auf den Wagen am Anfang in bester Stimmung sind und mit Kamelle um sich werfen.

Ob das so ist — ich kann es nicht sagen. Denn als Zugbegleiter hat man vor allem den Straßenabschnitt vor dem Trecker im Blick. Und es ist eine Aufgabe mit Vollkörper-Kontakt. Denn auf der Jagd nach Kamelle schoben sich ganze Familien immer weiter in Richtung Straßenmitte. Mehrfach musste ich die linke Fahrbahn mit sanftem und manchmal weniger sanftem Druck frei machen. Dabei ging es manchmal um wenige Sekunden. Schnell stieg bei Lärm und Hektik der Adrenalin-Spiegel.

Wagenengel sind auch bei den Kindern außerordentlich beliebt. Viele hielten ihre Tüten und Taschen hin, damit sich die Zugbegleiter da etwas Leckeres heraus nehmen konnten. Besonders die Eltern schauten völlig entsetzt, als ich da mal reingriff. Auch Wagenengel wollen im Zoch ihren Spaß haben. Natürlich habe ich den kleinen Rackern nichts geklaut . . .

Dafür habe ich auch manche gute Tat vollbracht. Vor allem an den Straßen, die mit Gittern abgesperrt waren, vollführten manche Jecken akrobatische Übungen, um an eine Tüte Popcorn oder Gummi-Bärchen zu kommen. Manches kalorienreiche Kleinod habe ich aufgehoben und die Narren damit einen Moment glücklich gemacht.

Mehr als zwei Stunden war ich unterwegs, belohnt mit vielen fröhlichen Gesichtern und einem dicken Dankeschön von Melanie Schwemin. Dazu kommt die Erkenntnis, dass ohne Ehrenamtler im Karneval nichts läuft. Und dass man auch dabei jede Menge Spaß haben kann.