Seine Werke sind weltweit in rund 40 Museen vertreten, jetzt zeigt der äthiopische Künstler Elias Sime seine Arbeiten in Düsseldorf Drahtseilakt: Elias Sime im Kunstpalast

DÜSSELDORF · . Funkelnde Stadtansichten oder pastellige Natur-Landschaften – aus der Vogelperspektive gemalt. In prachtvollen Farben. Oder abstrakte, geometrische Farbfelder, in Quadern, Rechtecken und Kreisen – oder auch organische wellenförmige Gebilde: Schon von weitem verblüffen die ästhetischen Arbeiten von Elias Sime.

Die Ausstellung ist bis zum 1. Juni zu sehen. Sie zeigt frühe Collagen und aktuelle Werke von Sime.

Foto: AP/Martin Meissner

Doch der eigentliche Clou: Was wie ein komponiertes Gemälde ausschaut, entpuppt sich als aufwendig montierte Collage aus Zigtausenden Elektrodrähten, Computer-Tasten, Platinen, Knöpfen und Kabelsträngen. Auf Holzflächen befestigt und zusammengehalten von ebenfalls zahlreichen Nägeln. Mit 44 Großformaten und Installationen, die der 56-jährige Künstler aus Äthiopien im Düsseldorfer Kunstpalast ausstellt, blickt das Haus weit über den europäischen Rahmen hinaus: „Echo“ nennt der in Addis Abeba geborene Sime seine erste chronologisch präsentierte Museumsschau im deutschsprachigen Raum, die für ähnliche Furore sorgen dürfte wie im Jahr 2022 bei der Biennale in Venedig und darauf in Kunstmetropolen wie New York, London, Jerusalem und Amsterdam.

Denn Sime, von Hause Grafik-Designer, überrascht nicht nur durch die nahezu unzählbare Menge an alten und neuen Elektro-Materialien, sondern lädt mit seinem Oeuvre Betrachter zum Dialog ein. So thronen im Mittelsaal der Kunstpalast-Ausstellung eine raumfüllende Holz-Tafel, an der etwa 30 Personen mit Sandtafeln, Holz-Mörsern und anderen Objekten experimentieren können oder zahlreiche Elektrodrähte ziehen, drehen, zwirbeln oder flechten können. Aus den verschiedenen Farben stechen rote Drähte hervor. „In meiner Heimat sind rote Drähte selten zu finden“, erzählt Elias Sime am Dienstag im Düsseldorfer Kunstpalast.

Für monumentale Collagen und Wandreliefs benutzt der Künstler Alltagsgegenstände und ausrangierte Elektronikelemente. Seit seiner Jugend sammelt er Materialien und Elektroschrott in seiner ostafrikanischen Heimatstadt. Die Tonnen von Schnüren, Knöpfen, Tasten und Kabeln sortieren mehr als 30 Mitarbeiter vor. Nach Farben und Kunststoffart.

Im Anschluss, so erzählt es der Künstler, bearbeiten sie die diversen Materialien und fügen sie auf festem Grund zusammen. Dann ummantelt das Team die Fantasiegebilde mit Kabeln. Sie flechten und binden, befestigen sie auf Holz oder Leinen mit Metallnägeln. Stets auf Anweisung von Elias Sime, der zuvor ein Gemälde im Kopf hat.

Klar, dass sich auf seinen Bildern und Ornamenten häufig Motive der Fauna und Flora Äthiopiens spiegeln. Ebenso die landestypische Kultur durch die Anwendung von volkstümlichen Praktiken. So sieht man in den Arbeiten aus den frühen 2000er Jahren, wie Sime Farbfelder oder andere Gebilde nicht nur flicht, sondern auch stickt oder näht. Es sind Handarbeitstechniken, die in Äthiopien traditionell auch Männer erlernen.

Akribie und kunsthandwerkliche Meisterschaft sind zu bewundern, sobald man direkt vor einem Opus Magnum der Werkgruppe „(Draht)-Seil“ (Tightrope) steht. Komplexe Muster und virtuose Linienführung, Farbkompositionen und Schattierungen (zum Beispiel von Weiß über Rosa bis Dunkelrot) der Drähte entsprechen auf manchen Collagen nicht nur einem Drahtseilakt. Immer wieder verblüfft die Vorstellung, wie viele Wochen, Monate, manchmal bis zu fünf Jahren Sime und seine Mitarbeiter an einem Objekt gearbeitet haben.

Von 2009 bis 2014 dauerte etwa das Fertigstellen des strohgelben Ameisenbildes „Ants & Ceramicists Nr. 2“. Auf geflochtener gelber Drahtoberfläche ragt ein organisches Gewächs empor – dort hinein wurden Hunderte von kleinen Insekten gestickt.

Viele seiner Arbeiten hingen anfangs im Zoma-Museum in Addis Abeba, das von Elias Sime gegründet wurde und heute zu den ersten kulturellen Adressen in Äthiopien zählt. Auch die vier „Concave Triangles“ (nach innen gewölbte Dreiecke), die Sima und seine Mannschaft 2020, während der beiden Corona-Lockdowns, kreierten. Dreieck Nr. 2 fällt durch einen starken, rot-weißen Kontrast auf. Unendlich viele rote Drähte sind auf der Innen- und Außenhaut des Dreiecks befestigt, dazwischen schlängeln sich, ähnlich wie Fische, weiße Gebilde aus Computertasten. Auf anderen „Triangles“ haben sie Hunderte von alten Armbanduhren oder Knöpfen zu abstrakten Bildern collagiert.

Je länger man in der Ausstellung verweilt, desto größer wird das Staunen vor kleinen Bodenskulpturen aus Lehm und vor den großflächigen Wandarbeiten. Auf einer Fläche von bis zu sechs Metern dehnen sich blühende Landschaften in Grün-Schattierungen – aus minutiös arrangierten, zahllosen Drähten. Apart, wenn auch seltsam, wirken dagegen jüngere Werke, auf denen Elias Sime sich dreidimensional ausprobiert. So suchen Gestalten, die an Schwimmer oder große Fische erinnern, Festigkeit in einem festen Gitter, das einer Kassette ähnlich ist.

Fazit: eine extrem farbenfrohe Schau, reich an kunsthandwerklichen Überraschungen.

Zu sehen bis 1. Juni. Museum Kunstpalast, Ehrenhof Düsseldorf. Di.-So. von 11-18 Uhr, Do. bis 21 Uhr. Tickets kosten 13 bzw. 10 Euro. Katalog: 29,60 Euro.