Krefeld 1688: „Dagegen, dass man Menschen verkauft, erheben wir Einspruch“

Krefelder Auswanderer formulierten den ersten Protest gegen die Sklaverei in den USA. Erfolg hatten sie nicht.

Krefeld. Der Spielfilm „Lincoln“ des Regisseurs Steven Spielberg ist in zwölf Kategorien für den weltweit wichtigsten Filmpreis nominiert — den Oscar. In dem Film wird gezeigt, wie US-Präsident Abraham Lincoln es 1865 schafft, mit dem 13. Verfassungszusatz die Sklaverei zu verbieten. Als Barack Obama nun erneut zum Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika vereidigt wurde, hat er auch auf die Bibel seines Vorbildes Abraham Lincoln geschworen. Das zeigt die bis heute anhaltende Verehrung des ehemaligen Staatsoberhauptes.

Die ersten Bemühungen, die Sklaverei in den nordamerikanischen Staaten abzuschaffen, liegen jedoch weiter zurück. Bereits 1688 wurde auch von Krefelder Auswanderern in Germantown ein Papier gegen die Sklaverei formuliert.

Ein Land ohne Repressalien, wo sie ihren Glauben frei leben können — dieses Versprechen brachte der Theologe Franz Daniel Pastorius im April 1683 den Mennoniten und Quäkern nach Krefeld. In Frankfurt und Köln hatte er schon für eine neue Kolonie in Nordamerika geworben, die der Quäkermissionar William Penn gegründet und Pennsylvania genannt hatte. Die Botschaft Pastorius’ stieß auf offene Ohren. 13 Familien aus Krefeld folgten dem Theologen in die Neue Welt.

Im Jahr 1683 brachen Quäker und Mennoniten als erste organisierte Auswanderungsgruppe aus dem damaligen Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation in Richtung Neue Welt auf. Nach 49 Tagen auf See erreichten sie die amerikanische Küste. Am 6. Oktober gelangte die Gruppe an ihr Ziel, die Stadt Philadelphia im heutigen US-Bundesstaat Pennsylvania. In der Nähe gründeten die Krefelder am 26. Oktober Germantown unter der Führung von Franz Daniel Pastorius.

Auf ihrem Weg nach Pennsylvania 1683 erlebten die 13 Familien bereits in Rotterdam zum ersten Mal den Sklavenhandel. Sie hörten in der niederländischen Hafenstadt auch grausame Geschichten von der Verschleppung der Menschen aus Afrika in die Neue Welt. Sie konnten sich nicht vorstellen, dass sie im Land der Bruderliebe Sklaven besitzen könnten. Diese Eindrücke blieben ihnen in Erinnerung, als sie am Delaware ankamen. Die Realität sah jedoch anders aus: Puritaner und Quäker, die sonst für die allgemeinen Menschenrechte eintraten, hatten keine Probleme mit dem Menschenhandel und hielten diesen nicht für Unrecht.

Aus den Reihen der Krefelder Siedler waren es wohl Mennoniten, die den Anstoß für eine Ablehnung der Sklaverei gaben. Am 18. April 1688 wurde im Haus des Krefelders Thones Kunders dieser erste öffentliche Protest gegen die Sklaverei in Amerika formuliert.

Der Schreiber, so lässt es jedenfalls die Handschrift vermuten, war Franz Daniel Pastorius. Unterschrieben ist es von Gerrit Hendricks, Dirck op den Graeff, Franz Daniel Pastorius und Abraham op den Graeff.

Das Protestschreiben richtete sich direkt an die Quäker. In dem Text heißt es unter anderem: „Gibt es irgendjemand, der zufrieden wäre, wenn ihm so geschähe oder wenn man ihn so behandele, nämlich ihn verkaufte und für seine Lebzeit zum Sklaven machte? […]

Sie sind schwarz, aber wir begreifen nicht, wie dies ein besseres Recht gibt, sie zu Sklaven zu machen, als weiße zu halten. Es ist uns gesagt, wir sollen allen Menschen tun, wie wir wünschen, dass uns selbst geschehe; kein Unterschied darf gemacht werden mit Rücksicht auf Nation, Abstammung und Farbe. […] Aber dagegen, dass man Menschen hierher bringt, sie raubt und gegen ihren Willen verkauft, erheben wir Einspruch!

In Europa müssen viele Unterdrückungen erleiden, des Gewissens halber; hier unterdrückt man Menschen von schwarzer Hautfarbe. […] Es bringt euch in schlimmen Ruf, wenn man in Europa erzählt, dass die Quäker hier mit Menschen verfahren, wie man dort mit dem Vieh verfährt.“

Folgen hatte dieser Protest allerdings nicht. Es mussten noch fast zwei Jahrhunderte vergehen, ehe sich an der Sklaverei in den USA etwas änderte. Die Unterzeichner im Haus des Krefelder Kunders hatten 1688 zumindest eine Vision, einen Traum von einem anderen Miteinander in der Neuen Welt.

Kunders Haus war übrigens das letzte erhaltene Siedlerhaus in Germantown und wurde 1979 für einen Parkplatz abgerissen. An Franz Daniel Pastorius, der am 27. September 1719 in Germantown starb, erinnert heute eine Straße in Linn.