Nachruf Er war ein Glücksfall für Erkrath
Erkrath · Maurermeister, Restaurator, Denkmalschützer – Meinhard Sucker hat in Erkrath viele Spuren hinterlassen. Jetzt ist er mit 84 Jahren verstorben. Heimatexperte Herbert Bander würdigt den gebürtigen Ostpreußen und seine Verdienste um die Wahlheimat Erkrath.
Weit und breit dürfte es kaum einen Handwerker geben, der seine Spuren so sichtbar und eindrucksvoll hinterlassen hat wie Meinhard Sucker, Maurermeister und Restaurator. Er war ein Hochdahler von Kopf bis Fuß, legte aber großen Wert auf seine Herkunft.
Im Januar 1945 mussten seine Eltern in Ostpreußen ein stattliches Anwesen zurücklassen. Dazu gehörten Stallungen mit Kreuzgewölbe und Säulen mit Kapitellen. Meinhard Sucker war das alles so wichtig, weil dieser Hintergrund und die schwierige Zeit danach seinen Lebensweg und seine berufliche Entwicklung entscheidend geprägt haben. Nach der Flucht lebte er acht Jahre in Mecklenburg, wo er als Zwölfjähriger arbeitete. Als er 1953 mit seinen Eltern und seinem Bruder nach Hochdahl in die Sandheide kam, war das für ihn ein „Kulturschock“. Das Trinkwasser musste hier noch aus einer Erdsenke (!) im Keller geschöpft werden. Später fanden die Suckers in der Villa Bayer Aufnahme, weil der Schwiegersohn von Dr. Richard Bayer (Herr Gay) ein guter Bekannter und Nachbar aus der Zeit in Ostpreußen war.
Im Alter von 50 Jahren ließ er
sich zum Restaurator ausbilden
Als Heimatvertriebene hatte die vierköpfige Familie Anspruch auf Ausgleichsmittel und konnte nicht zuletzt dadurch bereits 1957/58 ein Wohnhaus am Neanderweg errichten. Die Baugrube wurde noch mit dem Spaten ausgehoben. Nach der Maurerlehre besuchte Sucker trotz täglicher Akkordarbeit drei Jahre abends bis 22 Uhr einen Fachlehrgang in Düsseldorf, den er, 24-jährig, mit der Meisterprüfung abschloss. Im Alter von 50 Jahren machte er dann noch die Ausbildung zum Restaurator.
Ende 2015 stellte Meinhard Sucker nach 51 Jahren seinen Handwerksbetrieb ein. Was hat Sucker für Hochdahl getan? Von seinen kaum zu zählenden Projekten sollen hier die markantesten genannt werden. In Trills hat Sucker das Haus des Bäckers Bielemeier aufgestockt, die Ziegelfassaden von Trills 50 (Familie Stock) teilweise erneuert, am Haus der ehemaligen Metzgerei Fischer (gegenüber der Kirche) unter anderem die gesamte Fassade im Erdgeschoß (Straßenseite) ausgetauscht. Schließlich hat er das Anwesen von Gut Clef, darunter den Schlickshof, restauriert, den Sockel an der Westseite der Franziskus-Kirche repariert und in Bruchhausen die Eingangstreppe der ehemaligen Volksschule und deren Einfriedungsmauer wiederhergestellt.
Besonders gelungen ist ihm der Wiederaufbau des Herrenhauses von Gut Schlickum mit Umbau der Wirtschaftsgebäude (Stallungen, Scheune) zu exklusiven Wohnungen. In Hochdahl war es der Gewölbebau der Ziegelei, der Schachtofenausbau bei den Kalkwerken im Neandertal und in Gruiten und das Backhaus von Gut Beckeshaus (Schink). Hier hat Sucker unter Mitwirkung interessierter Bürger mit historischen Ziegeln gearbeitet, einen großen Teil der Wände mit Ruten geflochten und mit Strohlehm gefüllt, teils unter Zugabe von Kuhdung.
Weiterhin: Wiederaufbau der Winkelsmühle sowie Restaurierungsarbeiten am Kalkofen Huppertsbracken. Unvergessen ist auch sein Einsatz bei der Wiederherstellung des total heruntergekommenen Hochdahler Lokschuppens. Beim Umbau des Franziskushauses in Trills (1985) fand Sucker einen achtlos vergrabenen Taufstein im Trillser Pfarrgarten. Es war für ihn eine besondere Herausforderung, das Becken so zu bearbeiten, dass es danach im Kirchenvorraum wieder zu neuen Ehren kam. Er entdeckte Fingerabrücke von Kindern an der Außenfassade der Trillser Kirche, die mit Handformziegeln aus der Hochdahler Ziegelei erbaut worden ist.
1988 hat Sucker die Radkästen der Seilzuganlage bei laufendem Eisenbahnverkehr (!) freigelegt. Die Bewältigung dieser ungewöhnlichen Aufgabe bewog ihn, hierüber ein (leider vergriffenes) Buch zu schreiben. Zu seinen Aktivitäten zählte auch die Beschriftung an der Bahnunterführung Bergische Allee, für die er verantwortlich zeichnete. In großen Lettern ist da zu lesen, dass mittels eines einzigartigen Umlenksystems ein Seilzugbetrieb von 1841 bis 1926 an der steilsten Eisenbahn-Hauptstrecke Europas in Betrieb war.
Weil der Bau der Eisenbahn mit dem einsetzenden industriellen Kalkabbau den Knochenfund des Neandertalers erst ermöglicht hat, kann man zu Recht sagen: „Ein kleiner Ort schreibt Weltgeschichte!“ Meinhard Sucker war ein Energiebündel, dem sein Temperament schon mal durchging. Der rüstige Rentner, der sich lange Zeit guter Gesundheit erfreute, fand heraus, dass der hier ansässige und berühmt gewordene Arzt Professor Karl Sudhoff in griechischen Papyrus-Urkunden über die medizinische Kulturgeschichte geforscht hat. Sucker stellte daraufhin selbst Papyrus vom Samenkorn bis zum Schriftbogen her – wie die Ägypter vor 3200 Jahren.
Suckers eindrucksvolle Beiträge zur Ortsgeschichte und die damit einhergehenden Entdeckungen (Steingaden Thekhaus, die um 1920 aufgegebene Siedlungsstelle Hochscheuer, Urkundenfund von 1498 über die Ersterwähnung von Trills) zeugen von einer regen Aktivität. Einige geschichtlich wertvolle Unikate wie Original-Urkunden mit Siegeln sind in seinem Besitz.
Auch außerhalb von Hochdahl hat Sucker vielen Bauprojekten den Stempel seiner Handwerkskunst aufgedrückt. Das Löschen von Brandkalk, das Erkennen von Fachwerkholz sowie die Beurteilung von alten Ziegeln gehörten zu seinem Fachwissen. In der Ausübung seines Handwerks sah er seine Berufung, er arbeitete mit großer Hingabe und Akribie.
Für ihn war die Herausforderung, ein Bauwerk zu formen und zu gestalten, wichtiger als das Geld. Schwierigen Aufgaben ging er nie aus dem Wege. Seine herausragenden Fachkenntnisse waren überaus gefragt und geschätzt. Sucker hat sich auch als Denkmalschützer verstanden, der für den Erhalt älterer Gebäude die Stimme erhob. Nicht immer waren seine Bemühungen von Erfolg gekrönt: Das etwa 350 Jahre alte Fachwerkhaus Hildener Straße 303 (gegenüber dem Landgasthaus Kemperdick) musste beim Ausbau der Bergischen Allee weichen, obwohl es sich hätte versetzen lassen können.
Meinhard Sucker wird am Dienstag, 22. Oktober, um 13 Uhr auf dem Friedhof Neanderweg beigesetzt