Monheim: Die Stunde der Gendetektive
Bei BayerCropScience dürfen künftig ganze Klassen forschen und experimentieren.
Monheim. Dem, was neudeutsch Image-Problem genannt wird, folgt in aller Regel ein Facharbeitermangel. Das war so, als die Leute vom Bau an Ansehen verloren, es war so, als der Lehrerberuf in der Beliebtheitstabelle immer weiter abrutschte, und nun ist die Chemieindustrie um junge Arbeitskräfte verlegen. Deshalb öffnet Bayer CropScience ab sofort zweimal in der Woche seine Labors und lässt die Jugend ran. Sehr zur Freude von Tamara Lorsbach (15), Laura (14) und Sara (16) Fissler sowie Steven Kaiser (15). Die Hauptschülerin und die drei von der Realschule gehörten gestern zu den Laboranten der ersten Stunde. Und sie hatten ihre helle Freude daran.
"Ich mag Biologie", sagten die Schwestern Laura und Sara unisono. "Mir gefällt Chemie besser", meinte Steven. Auf ihren Schulen werden sie zwar in Naturwissenschaften unterrichtet. Aber so, wie das bei CropScience künftig möglich ist, geht das in den Schullabors mit Klassen von 30 und mehr Schülern nicht.
An der Alfred-Nobel-Straße ist alles viel größer, viel besser eingerichtet, und die Gruppen sind viel kleiner. Sara, Laura, Tamara und Steven lernten gestern bei Dr. Anne Simons. Sie ist Biochemikerin und war damit die ideale Lehrerin für die Kleingruppe. Auf dem Stundenplan stand Desoxyribonukleinsäure - DNA, Erbgut also. Theoretisch wissen die Jugendlichen ab Klasse 9 darüber schon ganz gut Bescheid. Praktisch nicht.
"Chromosome? Klar hab ich davon schon gehört", sagte Steven. Und auch DNA ist ein gängiger Begriff. Aber gesehen, geschweige denn selbst isoliert, haben die Schüler DNA natürlich noch nicht. "Das ist in Schulen auch kaum machbar", erklärte Anne Simons. Dazu sei besonderes Gerät notwendig. "Das haben Schulen nicht."
Bayer CropScience hat es. Ein Unternehmen, das mit Pflanzenschutzmitteln Milliardenumsätze machen will, braucht das auch. Und es braucht jene, die heute erforschen, was morgen vermarktet werden kann. Deswegen eben stehen drei Profi-Labors künftig Schulklassen der Jahrgangsstufen 8 bis 12 zur Verfügung. "Das Schöne ist, wir haben problemlos Mitarbeiter gefunden, die sich den ganzen Tag um die Jugendlichen kümmern", sagte Firmensprecher Hermann-Josef Baaken.
Und dann ist auch schon Schluss mit lustig. Schließlich sind die vier Schüler nicht zum Plauderstündchen gekommen, sondern zum Lernen. Also Schutzbrille auf, Gel, Flüssigkeit und ein bisschen Erbanlagen-Träger in die kleine Plastikwanne, ein bisschen Strom dazu, und schon dauert es nicht mehr lange, bis sich in dem blau angelaufenen Gel die berühmten Muster abzeichnen, die wie Strichcodes auf Lebensmittelverpackungen aussehen.
Gestern war es übrigens die DNA einer Rapspflanze. Es hätte auch Erbgut aus dem Speichel der Gast-Laboranten sein können. "So was finden die Schüler natürlich noch spannender", sagte Anne Simons. Aber CropScience beschäftigt sich nun mal mehr mit Saatgut und Pflanzenschutzmitteln, also auch mit Raps.
Und was zeigen die kleinen Striche dem Biochemiker? "Nun", erklärt Dr. Simons, "wir können zum Beispiel erkennen, was für ein Öl diese Rapspflanze erzeugen wird. Dafür mussten früher Tausende von Pflanzen aufgezogen werden, nur um die eine richtige zu finden."