Erkrath: Verfall mit Charmefaktor

Der Besitzer gestattete der Redaktion einen Blick ins Innere des Denkmals. Die Sanierung bleibt ein Thema.

Erkrath. Die Fensterscheiben sind zerbrochen, mit Holzbrettern vernagelt oder gar nicht mehr vorhanden. Der Außenputz lässt nur noch erahnen, woher die Weiße Villa ihren Rufnamen hat.

Im Garten hat die Natur die Regie übernommen. Bis zu den Knien reicht das wild wuchernde Grün auf dem rund 2000 Quadratmeter großen Grundstück an der Neanderstraße. Brombeersträucher und meterhohe Brennnesseln machen den Dienstboteneingang unzugänglich; auch nach dem Haupteingang greifen die Brombeerzweige.

Im Inneren des Gebäudes stabilisieren dicke Holzbalken die einsturzgefährdeten Decken. Der Boden ist mit Schutt bedeckt. Im Eingangsbereich wellen sich die grünen Tapeten von den Wänden. Stuck ziert die Decke - nur Zentimeter daneben klafft ein metergroßes Loch.

Doch die Villa hat ihren Charme nicht verloren. Ihr Anblick reizt Abenteuerlustige und treibt Architekturfreunden die Tränen in die Augen. "Die Villa ist vom echten Hausschwamm befallen, einem holzzerstörenden Pilz", erklärt Diplom-Ingenieurin Tanja Schebokat von der bk-plan GmbH. "Das bedeutet, dass alle Holzbauteile heraus müssen - Fachwerkwände, Decken und das gesamte Dach."

Friedrich Julius Bernsau hatte 1878 auf dem Gelände an der Neanderstraße eine Papierfabrik errichtet. Im 19. Jahrhundert war es üblich, dass die Villa des Fabrikanten auf dem Produktionsgelände lag - so entstand um 1880 nach dem Vorbild der Ratinger Villa Cromford die Villa Bernsau. 1974 wurde die Papierfabrik geschlossen, es kam das Edelstahlwerk Pose-Marré. Die zweigeschossige Villa wurde bis 1989 vom Gynäkologen Dr. Wolf-Dieter Hofmann als Praxis genutzt. Seitdem steht sie leer.

Pose-Marré hätte auf dem Grundstück lieber eine Lagerhalle statt stuckverziertem Wohnraum gesehen; es wurden zwei Abbruchanträge gestellt. Doch die Villa steht seit 1984 unter Denkmalschutz - die Anträge wurden abgelehnt. Gerüchte, dass die Vorbesitzer nicht nur die Fenster haben offen stehen lassen, sondern noch tatkräftiger alles dafür taten, aus dem ungeliebten Haus eine Ruine zu machen, sind nie verstummt.

2002 schloss auch das Edelstahlwerk seine Tore. Seitdem ist das Grundstück, einschließlich der ehemaligen Familienvilla Bernsau, im Besitz der Neuen Mitte Erkrath GmbH.

"Ein Abriss steht momentan nicht zur Debatte", macht Tanja Schebokat klar. "Wir setzen alles daran, die Villa wieder hinzubekommen." Dem Gebäude steht nun eine Entkernung bevor. "Es bleibt nur die Fassade stehen. Die Villa braucht ein völlig neues Tragwerk. Vom Stuck können wir nur Fragmente retten", erklärt die Expertin.

"Viel Geld" wird die Sanierung kosten. "Ein Abriss und originalgetreuer Nachbau wären günstiger", so die Ingenieurin. Bevor Hand an die Villa gelegt werden kann, sind noch viele Gespräche mit dem Statiker und dem Denkmalamt nötig. "Zudem ist ungewiss, was für Schäden bisher im Verborgenen liegen", befürchtet Schebokat.

Für die Zukunft der architektonischen Schönheit gibt es bereits eine genaue Vorstellung: "Das Erdgeschoss soll repräsentativ genutzt werden, etwa durch Praxis- oder Büroräume. Der obere Bereich kann als Wohnraum dienen."