Homberg: Aufbruch ins Ungewisse
Schüleraustausch: Am Donnerstagabend ist Carina Matyssek, Schülerin aus Homberg und freie WZ-Mitarbeiterin, nach Peking aufgebrochen. 291 Tage wird sie dort leben und zur Schule gehen. Für unsere Leser wird sie in loser Folge aus dem Reich der Mitte berichten.
Homberg. "Hallo, mein Name ist Carina, ich bin 15 Jahre alt und bin Deutsche." Mit diesem Satz werde ich mich in den nächsten zehn Monaten wohl häufiger vorstellen. Dann, wenn ich als Austauschschülerin in China bin, in einer ganz normalen Pekinger Familie lebe, auf eine ganz normale chinesische Schule gehe und hoffentlich ganz normale chinesische Freunde habe.
Die Koffer sind schon seit Tagen gepackt. Trotzdem mache ich sie immer wieder auf und schaue nach, ob auch alles drin ist. Acht Kilo Handgepäck werde ich mitschleppen. In den Koffern sind allein zehn Kilo Gastgeschenke, vor allem Leporellos mit Fotos aus Deutschland - jeder in der Gastfamilie, den ich treffe, erhält ein Geschenk. Meine Wintersachen kommen dann per Luftpost nach.
Wenn ich Bekannten und Freunden sage, dass ich für ein Jahr nach China gehe, sind sie entweder total begeistert oder total entsetzt: "Nach China? Für ein Jahr? Was willst du denn da?" Tja, was will ich da eigentlich? Schon lange war für mich klar, dass ich ein Austauschjahr machen möchte, in der 8. Klasse nahm dieser Traum dann Form an. Dank der AFS (American Field Service, siehe Kasten) kam ich von den USA über Südamerika auf China.
Man mag über China denken, was man will, unbestritten ist doch, dass dieses Land eine faszinierende Kultur hat, eine Kultur, die sich lange ohne den Einfluss des Westens entwickelt hat. Ich möchte versuchen, diese Kultur zu begreifen und die Menschen dazu kennenzulernen. Meine Eltern haben mir dann auch recht schnell die Reise erlaubt. Schließlich ist ja immer jemand vom AFS in der Nähe.
"Und bist du schon aufgeregt?" Diese Frage wird mir seit einem Monat dauernd gestellt. Ehrlich gesagt: Nein. Ab und zu frage ich mich zwar, was ich da eigentlich mache. Zum Beispiel, wie mir gestern aufgefallen ist, dass ich nur noch eine Nacht im eigenen Bett schlafe. Aber im Grunde ist der Gedanke an ein Jahr China viel zu unwirklich. Ich kann es mir einfach nicht vorstellen. Spätestens seit den drei Vorbereitungswochenenden und einem zehntägigen Chinesisch-Kurs ist die Aufregung wie weggeblasen.
Trotzdem ist das mit dem Austauschjahr alles andere als leicht, wie ich in den letzten Wochen gelernt habe. Zum Beispiel, als meine Oma eine Abschiedsfeier mit meiner Familie organisiert hat und ich Karten mit liebevollen Wünschen bekam. Da flossen viele Tränen. Bei aller Vorfreude ist die Vorstellung doch schrecklich, die Familie und die Freunde ein Jahr lang nicht zu sehen.
Freud und Leid liegen eben nah beieinander. Die letzten Stunden in Deutschland kann ich wahrscheinlich kaum aufhören zu weinen. Dann geht heute Abend um 22.30 Uhr [gestern, Anm.d.Red.] der Flug nach Shanghai. Dort werde ich beim dreitägigen "Arrival-Camp" einige gute Freunde treffen, die ich während meiner Vorbereitungen auf das Austauschjahr kennengelernt habe. Außerdem freue ich mich darauf, meine Gastfamilie endlich zu treffen. Seit einiger Zeit schreiben wir uns regelmäßig E-Mails. Eine tolle Sache, dass sie in Peking leben. Es hätte ja auch ein unbekannter Ort im Landesinneren sein können.