Weniger Pfarrer in Kempen Evangelische Kirchengemeinde muss sich neu aufstellen

Kempen · Die evangelische Kirchengemeinde Kempen will sich für die Zukunft neu aufstellen. Statt vier wird es bald nur noch zwei Pfarrer geben. In einem Workshop sollen Gläubige nun überlegen, wie sie sich Gemeindearbeit und Seelsorge vorstellen – und wer was tun kann.

„Wir wollen den Menschen nichts von außen überstülpen, sondern sie mit in den Prozess hineinnehmen“, sagt Pfarrer Michael Gallach. Er setzt auf kreative Lösungen und neue Ideen.

Foto: Wolfgang Kaiser

„Aufbruch in neue Zeiten“ nennt die evangelische Kirchengemeinde Kempen einen Workshop am Donnerstag, 5. Mai. Im Gemeindezentrum an der Thomaskirche will das Presbyterium mit Gemeindegliedern ins Gespräch kommen. In kleinen Gruppen sollen erste Impulse für ein neues Leitbild der Gemeinde zusammengetragen werden. Unmittelbarer Anlass ist, dass das Pfarrer-Ehepaar Bernd und Renate Wehner im Sommer 2023 in den Ruhestand geht und diese Stellen nicht ersetzt werden.

Seit rund 40 Jahren betreut das Pfarrer-Ehepaar die Gläubigen in den Gemeinden Kempens. Bernd Wehner hat eine Vollzeitstelle inne. Renate Wehner ist eine sogenannte „Pfarrerin im Hilfsdienst“. Sie hat keine eigene Pfarrstelle, sondern steht unterstützend, etwa als Springerin, zur Verfügung. „Es müssen Dinge aufgegeben werden. Was vorher vier geschafft haben, schaffen zwei nicht mehr“, sagt Pfarrer Michael Gallach in aller Deutlichkeit. Fest steht bereits, dass die bisherigen vier Seelsorgebezirke neu aufgeteilt werden müssen. Diese sind genau festgelegt, so dass jedes Gemeindeglied seinen festen seelsorglichen Ansprechpartner hat. Bislang betreut Michael Gallach den Bezirk Kempen-Nord, Bernd Wehner den Bezirk Kempen-Süd. Und Pfarrer Markus Rönchen Tönisberg und St. Hubert.

Als sehr hilfreich und quasi erste Stufe in den Veränderungsprozessen hat sich aus Sicht von Michael Gallach die zum 1. Januar 2021 vollzogene Fusion der zuvor selbständigen drei evangelischen Kirchengemeinden Kempens erwiesen. Er verweist etwa auf das neue Gottesdienstschema, das mehr Flexibilität ermöglicht, weil die Sonntagsgottesdienste in St. Hubert und in Tönisberg im Wechsel angeboten werden. „Die Fusion ist die Lösung und kein neues Problem“, betont Michael Gallach.

Das dabei bewährte System soll nun auch bei den jetzt anstehenden Veränderungen greifen: „Wir wollen den Menschen nichts von außen überstülpen, sondern sie mit in den Prozess hineinnehmen“, sagt er. Im Workshop soll es darum gehen, wie sich die Teilnehmer die Zukunft ihrer Kirche vorstellen. Fragestellungen werden etwa sein: Welche Bereiche in der Gemeindearbeit sind mir besonders wichtig? Was könnte eingeschränkt werden? Was darf aus meiner Sicht nicht verloren gehen?

Es sollen Menschen gefunden werden, die mitmachen wollen

„Das kann natürlich kein Wunschkonzert werden“, sagt Michael Gallach. „Einmal Vollbedienung bitte“ – das sei ein falsches Versprechen gewesen. „Kirche besteht nicht nur aus dem hauptamtlichen Personal, sondern aus Menschen, die mitmachen“, findet er. Und diese Ressource soll nun auch stärker aktiviert werden. Es gehe nicht darum, Personen für bestimmte Aufgaben zu finden, sondern zu fragen, was jemand gerne machen möchte. „Es gibt so viele Talente und Gaben in der Gemeinde“, ist er sich sicher. Und verweist auf die Hilfsplattformen für Flüchtlinge, bei der sich sofort viele Menschen einfanden. „Es müssen die richtigen Ideen sein, dann findet man auch die Menschen“, ist er überzeugt.

So wurde bereits der Konfirmandenunterricht neu strukturiert. Statt in einem Block ist er nun in zwei Einheiten aufgeteilt. Die erste Hälfte des Konfirmandenunterrichts erhalten die Kinder im Alter der dritten Klasse von ehrenamtlichen Jugendleitern. Nur noch der zweite Part kurz vor der Konfirmation wird von den Pfarrern gestaltet. Gallach will überhaupt die eigene Arbeit in den Fokus stellen. Wo wollt ihr den Pfarrer sehen? In der Kirche, bei der Seelsorge? Oder auch in der Verwaltung?

Eine optimistische Herangehensweise ist ihm bei allen Überlegungen sehr wichtig. Die Konzentration auf den Rückbau, das Weniger-Werden und Schrumpfen hat für ihn etwas Depressives. „Das ist Quatsch, Dinge ändern sich und wir passen uns an“, bekundet er entschlossen. Er setzt auf kreative Lösungen, neue Ideen und auf Zukunft. „Wir haben einen tollen Zulauf bei den Spielgruppen und in unseren beiden Kindergärten.“ Und eine Sorge kann er vorab zerstreuen: „Wir werden in jedem Fall alle Standorte erhalten.“ Die evangelische Kirchengemeinde Kempen hat derzeit 6800 Mitglieder an drei Standorten, davon 4800 in Alt-Kempen, 1800 in St. Hubert und 700 in Tönisberg.