Wahlkreise: „Kempen wird zerschnitten“

Der neue Zuschnitt der Wahlkreise stößt auf Widerstand. Neben Tönisberg und Tönisvorst soll nun auch St. Hubert Krefeld zugeschlagen werden.

Kempen/Tönisvorst. Die geplanten Veränderungen der Zuschnitte der Wahlkreise in Krefeld und im Kreis Viersen erhitzen die Gemüter der Politiker. „Wer denkt sich denn so etwas aus? Das ist für mich unfassbar“, sagte Montag Kempens-FDP-Fraktionschefin Irene Wistuba. Am Samstag hatte die WZ exklusiv berichtet, dass der Kempener Stadtteil Tönisberg und die Stadt Tönisvorst bei künftigen Landtagswahlen den beiden Krefelder Wahlkreisen zugeschlagen werden sollen. Das geht aus einem Gesetzesentwurf des NRW-Innenministeriums hervor. Hintergrund ist, dass die Einwohnerzahlen in den Krefelder Wahlkreisen gesunken sind und bald 20 Prozent unter dem landesweit zulässigen Durchschnitt von 123 687 Einwohnern liegen werden.

Parteiübergreifend bestätigten Montag Politiker, dass nicht nur Tönisberg, sondern auch St. Hubert in den Krefelder Norden wechseln soll. Etwa 30 Prozent der Kempener Wahlberechtigten sollen somit zum neuen Kreis „Krefeld I — Viersen III gehören“ (siehe Grafik). „Da wird eine Stadt mal eben so politisch durchtrennt. Dagegen werden wir uns mit aller Macht wehren“, so die St. Hubertin Wistuba. „Ein Skandal“ ist aus Sicht der Liberalen, dass die politisch Handelnden im Kreis Viersen von diesen Plänen der Landesregierung aus der Zeitung erfahren.

Auch CDU-Landtagsabgeordneter Marcus Optendrenk kann die Pläne der rot-grünen Regierung nicht nachvollziehen: „Das Kempener Stadtgebiet wird zerschnitten.“ Der Nettetaler hält die Einschnitte für den gesamten Kreis Viersen für unnötig. „In beiden Viersener Wahlkreisen liegen wir weit entfernt von der 20-Prozent-Abweichung“, so Optendrenk. „Es wird also auf Jahre hin nicht erforderlich sein, im Kreis Viersen etwas zu ändern.“ Laut Gesetzentwurf liegt Optendrenks Wahlkreis Viersen II (Kempen, Nettetal, Tönisvorst, Grefrath, Brüggen, Niederkrüchten) 12,9 Prozent über dem Durchschnitt, Viersen II (Willich, Viersen, Schwalmtal) von Stefan Berger (CDU) 8,1 Prozent über dem Schnitt.

Die Christdemokraten haben eine alternative Lösung, um den Rückgang der Einwohner in Krefeld bei Landtagswahlen aufzufangen. „Man sollte das so machen, wie bei der Bundestagswahl“, sagt Optendrenk. Dabei wurden vor einigen Jahren die Städte Moers und Neukirchen-Vluyn dem Krefelder Norden sowie Meerbusch, Kaarst, Jüchen und Korschenbroich dem Krefelder Süden zugeschlagen. „Das könnte man doch auf die Landtagswahlen übertragen. Dann würde man auch nicht die Bevölkerung verwirren“, sagt der Kreisvorsitzende der CDU. Gemeinsam mit seinem Kollegen Berger werde er sich im Landtag gegen die Änderung aussprechen.

Kempens CDU-Vorsitzende Rita Ulschmidt, die in Tönisberg wohnt, sieht die Angelegenheit ähnlich wie ihr Parteikollege Optendrenk: „Wir werden uns vehement dagegen wehren.“ Im Herbst soll über den Gesetzentwurf entschieden werden. „Bis dahin wollen wir eine andere Lösung erreichen.“

Auch die Sozialdemokraten sind wenig begeistert von den Plänen der rot-grünen Landesregierung. „Das hat mich völlig überrascht“, sagt Bundestagsabgeordneter und SPD-Kreisvorsitzender Udo Schiefner. „Meiner Meinung nach haben St. Hubert und Tönisberg wenig Bezug zu Krefeld“, sagt der Kempener. „Das ist so nicht nachvollziehbar.“ Schiefner werde das Gespräch mit dem Mönchengladbacher Landtagsabgeordneten Hans-Willi Körfges suchen. Er vertritt derzeit die SPD-Interessen des Kreises in Düsseldorf. „Ich möchte konkrete Zahlen des Ministeriums sehen“, so Schiefner. Auch er setzt darauf, bis zum Herbst eine andere Lösung zu finden.

Von 2005 bis 2010 war der Tönisvorster Uwe Leuchterberg SPD-Landtagsabgeordneter für den Wahlkreis Viersen II. Er kann zwar nachvollziehen, dass Wahlkreise ungefähr die gleiche Größe haben sollten, was ja der Ausgangspunkt der Überlegungen war. Andererseits müsse man die „deutlichen Unterschiede auf der politischen Agenda“ sehen, die es etwa zwischen einer Großstadt wie Krefeld und einem Dorf wie Vorst gebe.

Die bisherige Arbeitsstruktur, so Leuchtenberg, müsse völlig überdacht werden, falls die Pläne verwirklicht werden. Denn der Kreisvorstand der SPD beschäftige sich nicht mit Krefelder Problemen — um umgekehrt. Auch sei zu befürchten, dass die SPD-Ortsverbände aus Kempen und Tönisvorst an Einfluss verlieren. Für Leuchtenberg ist deshalb klar, dass nun weiter diskutieren werden muss — mit den Kollegen aus Krefeld, aber auch innerhalb der Kreispartei. In einer Vorstandssitzung wolle sich der SPD-Unterbezirk mit dem Thema in Kürze beschäftigen. Auch die Ortsverbände müssten einbezogen werden.