Umbenennung der Wilhelm-Grobben-Straße Werbering distanziert sich von Grobben

Kempen · Wilhelm Grobben aus Kempen war Lehrer, Heimat­dichter – aber auch der ranghöchste Nazi in der Stadt. Die Grünen fordern nun die Umbenennung der nach ihm benannten Straße. Bei einer Veranstaltung hatte der Werbering-Vorsitzende Grobben zitieren wollen. Was er dazu sagt.

2019 wurde das Straßenschild der Wilhelm-Grobben-­Straße in Kempen mit einem Zusatzschild versehen, das auch auf seine Funktion als NSDAP-­Ortsgruppen­leiter hinweist.

Foto: Norbert Prümen

Nach einem Bürgerantrag wurde 2019 bereits heftig über eine mögliche Umbenennung der Wilhelm-Grobben-Straße in Kempen gestritten. Die frühere Fliederstraße war 1964 nach dem Kempener Lehrer und Heimatdichter benannt worden. Schon in den 1960er- und 1970er-Jahren kam Kritik auf. Denn Grobben war nicht nur für seine Gedichte bekannt. Er war auch NSDAP-Ortsgruppenleiter, also der ranghöchste Nationalsozialist in der Stadt, außerdem Kreiskulturwart. Unter anderem setzte er sich in Vorträgen für die Zwangssterilisierung von Menschen mit Behinderungen ein. Er war kein Mitläufer, wie der Historiker Hans Kaiser darlegte.

2019 beschloss die Politik in Kempen nach langer Debatte mehrheitlich, die Straße nicht umzubenennen, aber das Straßenschild mit einem Zusatz zu versehen, das auch auf die NSDAP-Vergangenheit Grobbens verweist. Nach Einschätzung der Grünen in Kempen soll die Straße nun aber doch umbenannt werden. Es fehle an Sensibilisierung, erklärte Nicole Marquardt, Stadtverordnete der Grünen, kürzlich im Gespräch mit der Redaktion. So hatte ein Kempener bei einer Veranstaltung ein Grobben-Gedicht zitieren wollen, dies nach Kritik von Anwesenden aber unterlassen.

Günter Solecki (ÖDP) unterbrach den Werbering-Vorsitzenden

Der Mann, der einen Auszug aus einem Grobben-Gedicht hatte zitieren wollen, war Armin Horst, Vorsitzender des Werberings Kempen. Der Kempener, der ihn unterbrach, war Günter Solecki, stellvertretender Vorsitzender der Fraktion ÖDP im Kempener Stadtrat. Anlass war die Vorstellung des neuen Imagefilms der Stadt Anfang Dezember im Kempener Kino, der im Auftrag der Wirtschaftsförderung der Stadt erstellt worden war. Zur Filmpräsentation waren auch Vertreter von Wirtschaft, Tourismus und Einzelhandel eingeladen, also auch des Werberings.

Man habe den Film vorab sehen dürfen und dazu eine Rede vorbereitet, erklärte Werbering-Chef Horst am Mittwoch. Werbering-Geschäftsführer Rainer Hamm habe dafür auch einen Auszug aus Grobbens Gedicht „Min Kempe“ gewählt, der die Liebe zur Stadt beschreibe. Im Vorstand habe er die Rede vorgestellt, „und es hat allen Vorstandsmitgliedern gut gefallen“, so Horst. Doch als er die Rede im Kino dann vortrug, gab es Tumult. Er sei unterbrochen worden und habe die Zeile sofort rausgenommen, sagt Horst.

Nach der Rede im Kino hatten die Grünen Armin Horst um Stellungnahme gebeten. Es sei keineswegs um eine Würdigung Grobbens gegangen, antworteten Horst und Hamm den Grünen, das sei völlig abwegig: „Es ging um ein paar nach wie vor schöne Zeilen aus einer Liebeserklärung an Kempen. Dabei haben wir nicht hinreichend den Ursprung dieser Zeilen berücksichtigt.“ Das mache er, Hamm, sich auch persönlich zum Vorwurf, der er an der Rede wesentlich mitgewirkt habe: „Es ärgert mich sehr, dass diese Zeilen natürlich nicht von der Person zu trennen sind.“ In ihrem Schreiben an die Grünen betonten Horst und Hamm auch: „Wir haben hier einen Fehler gemacht, obwohl wir nur Kempens Schönheit und Vielfalt untermalen wollten. Das ist schiefgegangen.“

Hörbar zerknirscht äußerte sich Horst am Mittwoch auch im Gespräch: „Ich muss zu meiner ganz großen Schande gestehen, dass ich den Zusammenhang Grobben mit seiner NS-Vergangenheit gar nicht auf dem Schirm hatte.“ Man habe gedacht, dass Grobbens Zeilen ein guter Vergleich zum neuen Imagefilm seien, „es tut mir Leid, dass wir da kollektiv versagt haben“, so Horst.

Die Fraktion ÖDP, deren stellvertretender Vorsitzender Günter Solecki Horsts Rede unterbrach, forderte nun am Mittwoch in einer Pressemitteilung Bürgermeister Christoph Dellmans (parteilos) auf, sich vom Vorsitzenden des Werberings zu distanzieren. Der Werbering sei einer der wichtigsten Vereine in der Stadt, und ausgerechnet der Vorsitzende sorge nun für ein unwürdiges Ereignis. Viele Besucherinnen und Besucher hätten Solecki nach der Filmvorführung Dank und Anerkennung für sein mutiges Eingreifen ausgesprochen. Gleichzeitig stellte sich die Fraktion ÖDP am Mittwoch hinter den Antrag der Grünen, die Straße umzubenennen, und sicherte Unterstützung zu: „80 Jahre nach Kriegsende sollte durch die Umbenennung der Straße ein klares Zeichen gegen aufkommende antidemokratische Tendenzen gesetzt werden“, teilte der Fraktionsvorsitzende Jeyaratnam Caniceus mit.

Es sei „ganz klar unglücklich“ gewesen, Grobben zu zitieren, sagte Bürgermeister Dellmans am Mittwoch auf Anfrage der Redaktion. Das habe er dem Vorsitzenden des Werberings auch gesagt. Er werde sich aber nicht, wie von der ÖDP gefordert, nun vom Vorsitzenden des Werberings distanzieren. Auch die Beteiligten des Werberings seien nur Menschen und machten Fehler. Doch sie hätten den Fehler eingesehen. Insofern sehe er keinen Grund, sich zu distanzieren.

Ob er eine Umbenennung befürworte, dazu wollte sich Dellmans am Mittwoch nicht äußern. Das müsse die Politik entscheiden, „einer Umbenennung werde ich aber nicht entgegenstehen“. Nach dem Antrag der Grünen soll das Thema in der Sitzung des Kulturausschusses am Donnerstag, 6. Februar, auf die Tagesordnung kommen. Sie fordern, die Straße nicht nur umzubenennen, sondern auch die Darstellung Grobbens auf der Internetseite der Stadt anzupassen und zudem eine Arbeitsgruppe ins Leben zu rufen, die sich mit weiteren belasteten Straßennamen im Stadtgebiet auseinandersetzt. Eine Überprüfung der Straßennamen hatte zuletzt auch die SPD anstoßen wollen. Deren Vorsitzender Stefan Kiwitz sicherte für den Antrag der Grünen jetzt auch schon Unterstützung zu.

Die Fraktion ÖDP hat bereits einen Vorschlag, wie die Wilhelm-Grobben-Straße künftig heißen könnte. Caniceus schlägt vor, sie nach Anita Schreick zu benennen. Der 2015 verstorbenen Kempenerin war wenige Monate vor ihrem Tod noch für ihr jahrzehntelanges ehrenamtliches Engagement für Asylbewerber und Menschenrechte das Bundesverdienstkreuz verliehen worden. Caniceus, damals fraktionslos, hatte schon 2019 beantragt, eine Straße im Stadtgebiet nach Schreieck zu benennen. Der Kulturausschuss hatte daraufhin einstimmig beschlossen, zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine Straße im Stadtgebiet nach ihr zu benennen. Bislang gibt es aber noch keine Anita-Schreieck-Straße in Kempen.

Der Werbering habe nichts gegen eine Umbenennung der Wilhelm-Grobben-Straße, betonte Werbering-Vorsitzender Horst am Mittwoch. Man stehe voll und ganz hinter der Forderung der Grünen. „Wir wollten Grobben nicht huldigen, das liegt uns meilenweit fern“, versicherte Horst. Einen Vorschlag für einen neuen Straßennamen wollte er nicht machen: „Die Straße mag heißen, wie sie will. Ich würde aber den Namen einer Person wählen, die in der NS-Zeit gelitten hat.“