Nettetals Politiker machen sich Gedanken Können Nettetaler Bürger bald zu Energie-Genossen werden?
Nettetal · Strom aus erneuerbarer Energie auf Nettetaler Boden produzieren und Einwohner unmittelbar davon profitieren lassen – das ist ein Kerngedanke, der hinter der möglichen Gründung einer Bürgerenergiegenossenschaft steht.
In Kranenburg am Niederrhein gibt es eine, in Solingen im Bergischen Land auch, in Kaarst ist soeben eine an den Start gegangen – die Zahl der Bürgernergiegenossenschaften wächst, deutschlandweit. Auch in Nettetal hat in der Politik längst die Diskussion darüber begonnen, ob nicht auch die Seenstadt eine solche Genossenschaft braucht, die Bürger an der Energieerzeugung und an den Vorteilen beteiligt, die ein solches Vorgehen auf lokaler Ebene haben könnte. Nicht nur für Gudio Gahlings, Fraktionsvorsitzender der Nettetaler Grünen, ist das sogar ein wichtiges Projekt. Auch der ebenfalls den Grünen angehörende Bürgermeister Christian Küsters kann sich für die Idee erwärmen. Mehr noch: Als im Dezember ein Vertreter der BMR Energy Solutions GmbH den Politiken im Planungsausschuss des Rates seine Pläne für den Bau von Windrädern beim Kölsumer Weg erläuterte, ließ er seine Bereitschaft erkennen, die Nettetaler von dem Projekt profitieren zu lassen. Die Idee einer irgendwie gearteten Bürgerbeteiligung an lokal produziertem Strom stieß in der folgenden Diskussion auf wohlwollendes Interesse im größeren Kreis der Politiker. „Wir würden das gerne über Fraktionsgrenzen hinweg einvernehmlich angehen“, sagt denn auch Gahlings. Als Termin, an dem man mit einem Konzept vor die Bürger treten und ihnen konkrete Beteiligungsmöglichkeiten vorstellen könne, sei erst einmal Mitte Juni angepeilt.
„Bis dahin sind aber erst noch einige Hausaufgaben zu machen“, sagt Gahlings. Angefangen von der Frage, welchen Formen der Energieerzeugung auf Nettetaler Boden sich eine solche Genossenschaft denn widmen soll. „Saubere“ erneuerbare Energiequellen sollen es sein, so viel ist klar. Das kann Windenergie umfassen, Solaranlagen in größerem Umfang, vielleicht aber können auch Projekte miteinbezogen werden, in denen es um den Ausbau der Elektromobilität geht. Festzulegen wären auch die Formen einer Beteiligung der Bürger: Können sie Genossenschaftsanteile erwerben und an Überschüssen einer Gesellschaft beteiligt werden? Sollen sie von vergünstigtem Strom aus heimischer Produktionen finanziell profitieren? Ebenfalls von fundamentaler Bedeutung: Wer ist außer einzelnen Bürgern beteiligt und wer bringt die nötige Fachkompetenz ein? Kein Wunder, dass angesichts dieser Frage an den Nettetaler Stadtwerken wohl kein Weg vorbeiführt. Der lokale Versorger richtet sich ebenfalls immer mehr auf eine Zukunft mit weniger Gasverbrauch und stärkerer Nutzung erneuerbarer Energiequellen aus, hat eigene Projekte etwa in Sachen Solarenergie im Visier. Auch nicht uninteressant in diesem Zusammenhang: Christian Küsters gehört der Geschäftsführung der Stadtwerke an, Guido Gahlings ist Vorsitzender des Aufsichtsrats. Bürgerengagement und Stadtwerkeengagement – „im besten Fall befeuert sich das gegenseitig“, findet Gahlings. Zu klären wäre schließlich auch noch, wer die Geschäfte einer Bürgerenergiegenossenschaft leitet und wie der Aufsichtsrat besetzt sein soll.
Wie sehr die Idee von Bürgerenergiegenossenschaft inzwischen nicht nur verbreitet, sondern auch schon umgesetzt ist, zeigt bereits ein flüchtiger Blick ins Internet. Alleine die „Bürgerwerke“ melden 127 Energiegenossenschaften aus ganz Deutschland, die derzeit zu einem Verbund zusammengeschlossen sind. „Insgesamt stehen diese für über 50.000 engagierte Energiebürger und über 1.400 dezentrale Kraftwerke in Bürgerhand. Gemeinsam machen wir Energiewende“, so die Bürgerwerke. Und flammneu ist die Idee auch nicht. Schon Ende des 19. Jahrhunderts, weiß das Online-Lexikon Wikipedia, seien in ländlichen Gebieten Energiegenossenschaften gegründet worden, um elektrische Energie zu produzieren oder ein Verteilnetz zu bauen und zu betreiben. Das war Selbsthilfe in Fällen, in denen große Energieunternehmen kein wirtschaftliches Interesse an dünn besiedelten Regionen hatten. Bis zum Beginn des NS-Regimes entstanden bis zu 6000 solcher Gesellschaften, dann sorgten Konzentrationsprozesse dafür, das 2012 nur noch rund 50 übrig waren.