Demonstration in Nettetal-Lobberich Demo gegen Rechtsradikalismus
Nettetal-Lobberich · Ein beeindruckendes Engagement: Zwei 19-jährige Schülerinnen aus Nettetal haben innerhalb von zwei Wochen für eine Demo gegen Rechts in Nettetal mobil gemacht. Die 300 Teilnehmer erlebten einen bewegenden Vormittag.
„Auf die Barrikaden! Gegen den Faschismus hier im Land“ singen die Demonstranten, während sie durch die Innenstadt von Lobberich ziehen, vorbei an Menschen, die ihren Wochenendeinkauf tätigen, sich mit einem Kaffee beim Bäcker stärken, vorbei an einem Stand der FDP, die wenige Stunden vor der Wahl noch Werbung macht. „Haltung zeigen für Demokratie“ steht auf einem großen Banner, das von den politischen Fraktionen der Stadt Nettetal unterzeichnet ist und von ihren Vertretern getragen wird. Gut 300 Menschen sind dem Aufruf zur Demonstration unter dem Motto „Nettetal ist bunt – keine Toleranz für Intoleranz“ gefolgt.
Nele Longerich und Lilli Geritz sind die Organisatorinnen. Die beiden 19-jährigen Schülerinnen der Gesamtschule Nettetal nahmen vor zwei Wochen an der Demonstration gegen Rechts des Jugendparlaments in Mönchengladbach teil. Daraufhin stellte Nele Longerich fest: „So etwas müssen wir mal in Nettetal machen“. Sie und Lilli Geritz sprachen weitere Freundinnen sowie Lukas Langer an. Der 25-Jährige ist aktiv in der „Fridays for Future“-Ortsgruppe Nettetal. Innerhalb von zwei Wochen meldeten sie die Demonstration an und machten Werbung: Sie sprachen die Nettetaler Fraktionen an, animierten die Nettetaler Schülerinnen und Schüler mitzumachen und posteten ihre Veranstaltung in den sozialen Medien. Mit großem Erfolg.
Viele Familien sind dabei, ihre bunten Plakate ziehen die Aufmerksamkeit auf sich: „Vom kleinen Maulwurf, der wissen wollte, wer ihm ins Gehirn geschissen hat“ kann man lesen und sehen, dass der Kothaufen blau ist und die Buchstaben AfD trägt. Auch „Mit Alice kein Wunderland“ ist ein griffiges Statement. Jonathan Traut, elf Jahre alt, hat es gemalt. Er ist mit Vater, Oma und seinen Schwestern gekommen. Die ganze Familie Traut hat in den vergangenen Wochen viel über die aktuelle und mögliche zukünftige Politik diskutiert, auch gemeinsam mit der fünfjährigen Tochter Nella und Elisa (8). Zusammen hat die Familie die Fragen des Wahl-O-Mat gelesen, erklärt und beantwortet. Das Ergebnis war klar: „Wir sind grün.“
Um Parteipolitik geht es natürlich nicht an diesem Vormittag am alten Rathausplatz in Lobberich, wo sich die Demonstranten und Demonstrantinnen versammelt haben, um die Redebeiträge zu hören. Im Mittelpunkt steht die Demokratie. Lilli Geritz hält eine bewegende Rede über den demokratischen Zusammenhalt und gegen die Ausweisung von Menschen aus anderer Heimat. Als ein ebenso starkes wie simples Bild dafür wählt sie das Haus. „Wir wohnen alle in demselben Haus, teilen Freunde, Kekse, Tee“, heißt es da. Fragen wie „Weshalb interessieren euch die Hautfarben, weshalb werden Türen zugeschlagen, statt aufgehalten, weshalb müssen Mitbewohner raus?“ werden gestellt. Ihr Appell: „Und wenn Ihr morgen euer Kreuz setzt, dann bitte gegen Rechts.“
Lilli Geritz‘ Bild vom Haus greifen die Redner nach ihr auf. Wie Elke Langer, die für die Evangelische Kirche im Rheinland spricht. Ihre Rede basiert auf der Jahreslosung für 2025: „Prüfet alles und das Gute behaltet“, so heißt sie. Langer betont die Bedeutung des friedlichen Protests auf den Straßen und der großen Beteiligung an dieser Wahl. Es sei gefährlich zu sagen, ich will mit Politik nichts zu tun haben. Denn: „Auch das, was wir nicht tun, hat Folgen. Geht wählen.“ Ralf Schröder ist Vorsitzender des Fördervereins Flüchtlingshilfe Nettetal e.V. So kann er aus Erfahrung sprechen, wenn er sagt: „Nettetal ist bunt. Wir dulden keine Intoleranz und keinen Rassismus.“ In Bezug auf die Attentate der vergangenen Wochen macht er klar, dass er diese verurteile, sich aber weigere, diese Taten von Einzelnen auf alle Menschen mit einer Migrationsgeschichte zu projizieren. „Wir müssen aufhören, Unterschiede als Bedrohung zu betrachten.“
Die Zuhörerinnen und Zuhörer applaudieren ihm wie den übrigen Rednern häufig und rufen ihre Zustimmung. Markus Meyer, engagierter Bürger, plädiert für die Demokratie und ruft dazu auf, für eine Zukunft einzustehen, in der jeder Mensch zählt. Auch Peter Muthmann ist Vertreter der Evangelischen Kirche im Rheinland. So oft habe er schon in Gottesdiensten gesprochen, heute rede er zum ersten Mal anlässlich einer Demonstration. Jeder fünfte Deutsche, so stellt er fest, unterstützte die Faschisten. Daran könne auch eine Demonstration nichts ändern. Faschismus sei eine chronische Krankheit, die nur mit Medikamenten in Schach zu halten sei. Ein Medikament seien Demonstrationen gegen Faschismus. „Geben wir aufrechten Demokraten eine Stimme“ appelliert er.
Zum guten Schluss kommt Lukas Langer ans Mikrophon, bevor sich der Zug in Bewegung setzt. Auch er betont die Macht der Demonstrationen und unterstreicht, dass es „keine Politik mit der AfD geben“ dürfe. Wenn die AfD in den kommenden vier Jahren nur „zuschauen“ dürfe im Bundestag, könnte sie geschwächt werden. Wenn aber mit ihr gemeinsam politische Entscheidungen getroffen würden, dann bestimme sie die Politik im Land doch mit. Viel Stoff zum Nachdenken für die Menschen auf ihrem Zug durch Nettetal. Und ein hoffnungsvolles Gefühl von Zusammenhalt.