Singvögel in Nettetal Es gibt Arten, die sich die Köpfe einschlagen

Nettetal · So langsam beginnen die Singvögel wieder ihr Konzert in der Natur. Im Interview erklärt Ornithologin Stefani Pleines was genau dahinter steckt.

Ornitholigin Stefani Pleines weiß, wie und warum Singvögel singen.

Foto: Heinz Koch

Bereits zu dieser Jahreszeit erfreuen die Vogelstimmen am frühen Morgen die Menschen. Wie es zu diesen Aktivitäten der Vögel kommt, ließen wir uns von Stefani Pleines, Ornithologin an der Biologischen Station Krickenbecker Seen (BSKS), erklären.

Frau Pleines, seit wann sind Sie interessiert an Vögeln?

Stefanie Pleines Seit ich 16 Jahre alt bin, also seit rund 45 Jahren. Ich trat in die Naturschutz-Jugend ein und fand die Vogelstimmen spannend. Dann habe ich Biologie studiert, aber mit den Vogelstimmen weitergemacht. Gerade als ich mit dem Studium fertig war, baute das Land NRW 1992 die Biostation auf und da hatte ich das Glück, das ich hierherkam.

Wie kann man lernen, Vogelstimmen zu unterscheiden?

Pleines Die frühe Zeit im Jahr ist ideal für Einsteiger, weil dann morgens noch kein so wildes Konzert ist. Dann hört man oft nur eine Stimme und damit lernt man am besten. Wer musikalisch ist, der hat bei der Wiedererkennung die geringsten Probleme. Das ist wie die Wiedererkennung eines alten Schlagers. Die Vögel haben verschiedene Gesänge, beispielsweise als Kontaktruf, als Warnruf oder wenn Junge gefüttert werden. Daher ist es in Begleitung eines Experten gut, wie bei unseren kostenlosen Führungen.

Welche Vogelstimmen hört man Momentan?

Pleines Die Vögel, die hier überwintert haben, beginnen jetzt schon zu singen, um die besten Reviere zu besetzen. Das sind die rund 20 häufigsten Arten, wie Rotkehlchen, Meisen, Buchfink, Singdrossel oder Amsel. Damit haben sie einen Vorteil gegenüber den Zugvögeln, die teilweise erst Ende April bis Juni zurückkommen. Die Weibchen entscheiden sich für den, der am variabelsten und am längsten singt. Wenn das Männchen so viel Zeit und Power zum Singen hat, dann muss es in seinem Revier viel Nahrung finden und eine gute Kondition haben.

Finden die Revierkämpfe nur mit dem Gesang statt?

Pleines Der Kampf gegeneinander kommt auch vor, zumindest, solange die Reviergrenzen noch unklar sind. Insbesondere, wenn die Zugvögel hinzukommen. Bei manchen geht es nur mit Gesang, aber es gibt auch Arten, die schlagen sich die Köpfe ein. Für mich als Ornithologin ist gerade das spannend, denn dann weiß ich, hier ist es eng besiedelt und ich erkenne die genauen Reviergrenzen, ob es mehr oder weniger geworden sind, ob unsere Maßnahmen etwas gebracht haben für die Vögel und wenn ja, für welche Arten.

Welche Maßnahmen unternehmen Sie?

Pleines Die Brutvögel werden in allen, von der BSKS betreuten Naturschutzgebieten von einem vierköpfigen Team erfasst. Man muss von März bis Juni alle 14 Tage auf den gleichen Flächen die Art und die Anzahl der dort brütenden Vögel erfassen, denn jede Vogelart singt im Verlauf des Jahres anders. Wir müssen sehen, dass wir von allen Vogelarten den intensivsten Zeitpunkt erfassen, insbesondere bei den erst spät zurückkehrenden. Das geht natürlich nicht alles in einem Jahr. Bei den Vögeln begehen wir alle drei Jahre die gleichen Gebiete. Unsere Daten ab 1992 zeigen uns dann, welche Arten zu oder abnehmen.

Wann beginnt der Gesang?

Pleines Der Gesang ist hormonell gesteuert, die innere Uhr wird vom Licht gesteuert. Das heißt, wenn jetzt die längeren Tage kommen, bekommen sie ihren Hormonschub angepasst ans Licht früher und fangen an zu singen. Etwa eine halbe Stunde vor Sonnenaufgang fangen schon einige an und das dauert etwa vier Stunden. Deshalb müssen wir Ornithologen immer eine halbe Stunde vor Sonnenaufgang im Gebiet sein, und das in jedem Monat etwas früher. Im Juni sind wir meist schon um 3.30 Uhr im Gelände. Ich mache meine Führungen im Juni um 5 Uhr. Ich meine, dass die Leute auch die besondere Stimmung in der Frühe erleben sollten. Das ist für die meisten eine Quälerei, aber es lohnt sich.

Was bezwecken Sie mit den Begehungen?

Pleines Diese Begehungen sind für die Arbeit der BSKS wichtig, damit wir sehen, auf welchen Flächen die Vögel sitzen. Wir haben Flächen, die werden beweidet oder gepflegt, da wurden Bäume beseitigt, da sind Sanddünen und wir haben Flächen da passiert gar nichts – da entsteht neuer Wald. Wir müssen exakt sehen, auf welche Flächen die Vögel wie reagieren. Dann können wir sagen, auf dieser Fläche brüten beispielsweise vier Heidelerchen, da müssen wir nichts machen. Auf einer anderen, zugewachsenen Fläche brüten keine Heidelerchen mehr, da müssen die Bäume und Sträucher raus.

Welche Vögel brüten in unserem Bereich?

Pleines In Krickenbeck haben wir 88 Brutvogelarten, die wir auch regelmäßig erfassen. Davon sind 22 sehr häufig. Die brauchen wir nur zu erfassen, nicht ihre Anzahl. Wir wollen eher wissen, welche Vögel bestimmte Lebensraum-Ansprüche haben, und die eben auch anzeigen, wie die Flächen sich entwickeln. Diese Arten kartieren wir genauer. Daneben gibt es etwa 200 Vogelarten, die nur durchreisen und nicht hier brüten.