Kommunalpolitisches Praktikum in Viersen Die Politiker von morgen

Viersen · Leerstand in der City: 73 Schülerinnen und Schüler debattierten über Wege aus der Krise – als Abschluss ihres kommunalpolitischen Praktikums, wie in einer echten Ratssitzung. Wie fanden es die Teilnehmer?

In einer Feedbackrunde schilderten die Teilnehmer des kommunalpolitischen Praktikums ihre Erfahrungen, bevor Bürgermeisterin Sabine Anemüller die Zertifikate für die Teilnahme verteilte.

Foto: Bianca Treffer

Im Zentrum der Kreisstadt steht ein Einkaufszentrum leer, in dem bislang Kleidung, Haushaltsgegenstände und Lebensmittel verkauft wurden. Aufgrund des wirtschaftlichen Drucks und des geänderten Einkaufsverhaltens der Bürger, die immer mehr online und immer weniger vor Ort einkaufen, kam es zu der Schließung. Was passiert mit dem alten Einkaufszentrum? Diese Frage stand jetzt auf der Tagesordnung einer Sondersitzung des Viersener Stadtrates im Sitzungssaal des Kreishauses – und das bei vollem Haus. Die Sitzplätze waren allesamt belegt. Allerdings lag das Alter der dort anwesenden Personen deutlich unter dem bei normalen Ratssitzungen. Im Rahmen des Kommunalpolitischen Praktikums, kurz KoPra genannt, tauchten 73 Schüler der verschiedenen weiterführenden Schulen aus Viersen in die Politik ein.

Das Planspiel, das den Abschluss des bekannten Angebotes der Stadt Viersen in Zusammenarbeit mit den Viersener Parteien darstellte, zeigte, dass es den Neunt- und Zehntklässlern nicht an kreativen Ideen mangelt und sie sehr gut in der Lage sind, ihre Argumente vorzubringen. Zeitgleich demonstrierten die Schüler aber auch, dass sie den Gegenargumenten aufgeschlossen gegenüber stehen und zur Diskussion bereit sind. „Wie im richtigen Leben“, kommentierte Viersens Bürgermeisterin Sabine Anemüller (SPD). Sie finde es großartig, was die Teilnehmer des KoPra gemacht hätten, fügte sie lobend zum Abschluss des Planspieles an. Zeitgleich gab sie den teilnehmenden Schülern einen Ratschlaget mit auf den Weg: „Handelt immer mit Wertschätzung dem anderen gegenüber“, betonte Anemüller, bevor sie den Schülerinnen und Schülern ihre Teilnahme-Zertifikate überreichte. Jeder Teilnehmer erhielt ein solches für seine Bewerbungsmappe.

Die Neunt- und Zehntklässler durchliefen im Rahmen des Angebotes insgesamt vier Module. Einem ersten theoretischen Modul folgte die Teilnahme an einer Fraktionssitzung. In Modul drei schloss sich der Besuch einer Ausschusssitzung an. Mit einem Zeitfaktor von sechs Stunden stellte das Modul vier, das Planspiel, den arbeitsintensivsten Part dar. Bei den Schülern herrschte in der abschließenden Feedbackrunde die einstimmige Meinung, dass das KoPra informativ, spannend, lehrreich und sehr realitätsnah abgelaufen sei. „Ich habe viel für mich mitnehmen können und gelernt, wie wichtig es ist, seine eigene Meinung mit guten Argumenten zu vertreten“, sagte Alice zu dem Angebot, das die Stadt Viersen in Zusammenarbeit mit der Politik seit 2006 regelmäßig anbietet. Für Emely war es ebenfalls eine bereichernde Erfahrung. „Ich fand es sehr gut, mit den anderen zu diskutieren und dabei auch schon einmal meine eigenen Ansichten zu überdenken, einfach, weil andere Argumente so gut waren und man das selbst gar nicht auf dem Schirm hatte“, sagte die Zehntklässlerin.

Die Frage, ob man sich nun wirklich in die Politik einbringen möchte und in welcher Partei, blieb für das Gros der Teilnehmer allerdings noch offen. Dass es nicht unbedingt eine Partei sein muss, wenn man sich einbringen möchte, verdeutlichten die drei Vertreter des Jugendforums Viersen, die das Angebot kurz vor der Übergabe der Zertifikate vorstellten. Politisch unabhängig bringt sich das Jugendforum ein, wobei es unter anderem auch im Jugendhilfeausschuss vertreten ist. Eine Alternative, die bei etlichen der jungen Bürger auf großes Interesse stieß, wie anhand der Nachfragen festzustellen war.

Doch auch die Mitarbeit in einer Partei konnten sich einige Teilnehmer durchaus vorstellen. Im aktuellen Stadtrat sind einige ehemalige Teilnehmer des kommunalpolitischen Praktikums vertreten, zum Beispiel Viersens CDU-Vorsitzender Sebastian Achten.