Handwerk: Zahlungsmoral im Keller
Immer mehr säumige Kunden: Streit endet manchmal sogar vor Gericht.
Willich/Tönisvorst. Demnächst steht für Thorsten von der Burg eine Premiere an - eine, auf die der Installateur gerne verzichtet hätte. Aber es hilft nichts. Es geht um fast 2000 Euro. Geld, das dem St. Töniser zusteht. Schließlich hat er seine Arbeit abgeliefert.
Weil der Kunde aber partout nicht zahlen will oder kann, treffen sich die Parteien vor Gericht. Die Endstation eines monatelangen Kampfes. Säumige Zahler sind längst keine Ausnahme mehr.
"Es ist schlimmer geworden", meint von der Burg. Auf gut 3000 bis 5000 Euro pro Jahr bleibt er sitzen. Vor allem die Kleinbeträge läppern sich. Hier mal 50 Euro für eine Dichtung, die nicht bezahlt werden, da 100 Euro für den neuen Wasserhahn, die nicht kommen. "Dafür lohnt sich ein großer Aufwand nicht", sagt der Handwerker verbittert. Das Ergebnis ist immer das gleiche: Das Geld ist weg.
Bei größeren Beträgen setzt er alle Hebel in Bewegung, aber es dauert. "Manche Kunden schicken die Rechnung drei, vier Mal wegen irgendwelcher Kleinigkeiten zurück, damit sie Zeit sparen", wissen auch die Schlossermeister Heinrich und Sohn Christian Kleefisch. Da werde fieberhaft nach angeblichen Fehlern gesucht, nur um die Summe zu drücken. Die schwarzen Schafe sind schwer zu erkennen.
Von der Burg unterstellt vielen Absicht: "Die wissen das vorher. Am Ende sitzen sie in der neuen Badewanne und haben gut lachen." Fernsehhändler holen den neuen Apparat wieder ab, wenn der nicht bezahlt wird. Beim Badezimmer wird’s schwieriger. "Es bleibt bis zur Bezahlung unser Eigentum." Aber das ist Theorie. Denn die neuen Kacheln etwa darf der Installateur nicht wieder herausreißen.
Auch Marc Nepsen, Mitinhaber der Schreinerei Nepsen aus Tönisvorst, sitzt gegenüber dem Kunden am kürzeren Hebel. "Die wissen genau, welche Möglichkeiten sie haben, wenn sie nicht zahlen wollen." Seine Firma hat die Zahlungsfrist schon verkürzt, von 30 auf zehn Tage. "So sieht sich der Kunde etwas unter Druck und zahlt dann meistens innerhalb von 30 Tagen." Nicht oder spät zu zahlen, sei ein Volkssport geworden.
Von der Burg hat schon mal Inkasso-Unternehmen eingeschaltet. "Die warben im Fernsehen mit dem Spruch: ,Wir bekommen ihr Geld’." Von der Burg lächelt gequält. "Einem nackten Mann können die aber auch nichts aus der Tasche holen."
Wenn eigene Mahnschreiben keine Wirkung erzielen, schalten viele Betroffene die Kreishandwerkerschaft ein. Die hat für ihre Mitglieder eine eigene Inkasso-Stelle eingerichtet. Mitarbeiterin Ulrike Eßer und ihre Kollegen hatten im vergangenen Jahr kreisweit 650 neue Fälle zu beackern. "Im Durchschnitt liegt der Streitwert bei 500 bis 2500 Euro."
Der Einsatz lohnt sich für die Mitglieder. "Wenn der Briefkopf der Kreishandwerkerschaft beim Mahnschreiben drauf prangt, macht das Eindruck beim Kunden", ist von der Burg überzeugt.
Gut 40 Prozent der Rechnungen, so Eßer, werden umgehend bezahlt - nach Einschalten der Inkasso-Stelle. Säumige Zahler gebe es übrigens quer durch alle Handwerksbranchen. "An uns hat sich auch schon ein Bäcker gewandt, dessen Brötchen nicht bezahlt worden waren", so Eßer.