Neersener Rapp-Spiele haben begonnen

Gideon Rapp, der gestiefelte Kater, und seine Mitspieler sind aufgetreten, als finde Wetter nicht statt: hochkonzentriert, unverdrossen und mit einer Spielfreude, die dem triefnassen Premierenpublikum imponierte. Bravo!

Foto: Reimann

Neersen. Die Rapp-Spiele in Neersen haben begonnen. Als gewiefter und gewitzter gestiefelter Kater, als Puppenspieler an der Seite von Freund und Müllerssohn Hans und als verliebter spanischer Edelmann setzt Gideon Rapp im Kinderstück dieser Saison nicht nur ein Ausrufezeichen. Jede Gestik, jede Mimik, jede Pose stimmt, passt perfekt zum geschmeidigen Spiel auf glatten, nassen Neersener Bühnenbrettern.

Gideon Rapp spielt mit seiner Hauptrolle in dem Familienstück Katz und Maus. Er beherrscht sie bis in jedes Detail, mal leicht und heiter, oft elegant, dann wieder kämpferisch und aufbrausend. Er ist so eins mit dieser Rolle, dass man in einem kurzen erlaubten Gedankensprung von Neersen nach Hollywood lächelnd an Johnny Depp in seiner abenteuerlichen Rolle als Captain Jack Sparrow denkt.

Das Premierenpublikum, das nach 70 Minuten triefend nass auf der Tribüne kauerte, quittierte das perfekte Zusammenspiel des Ensembles mit allerherzlichstem Applaus und belohnte Rapp mit Bravorufen.

Dass die sechs Schauspieler sich nicht öfter vor dem begeisterten Publikum dieser ersten Premiere der Spielzeit 2016 verbeugen durften, war einzig und allein dem starken Regen über fast 70 Minuten geschuldet. So aber war gestern nach Happy End und fröhlichem Schluss-Song die Sehnsucht der Zuschauer nach trockenen Kleidern größer als ein verdienter dritter „Vorhang“.

Die Schauspieler dürfen trotzdem mit großem Vergnügen und Genugtuung auf diesen Auftakt zurückschauen. Regisseurin Heike Wertgen hat sehr gute Arbeit abgeliefert. Die Rollen waren perfekt besetzt. Ausstatterin Silke von Patay hat den Schauspielern ein Bühnenbild zu Füßen gelegt, das die Illusion aufrecht erhielt, dass sich direkt vor den Augen der Zuschauer Tierpuppen in Menschen und umgekehrt verwandeln können.

Kongenial waren Rapp als gestiefelter Kater und Sebastian Teichner als Hans, der Müllerssohn. Auf Schritt und Tritt spielten sie sich ihre Dialoge zu. Als Puppenspieler legte Rapp Teichner die Katze auf die Schulter, während er sich in einen braunen Kapuzenmantel dahinter stellte, als Mime in Hans’ Schatten unsichtbar wurde und nur mit seiner Stimme das flauschige Tier zum Sprechen brachte.

Eine Ein-Mann-Show war der Nachmittag aber nicht. Denn auch Rapps Mitspieler zogen alle Register ihres Könnens. Bis auf Teichner Hans schlüpften alle in mindestens zwei Rollen.

Sarah Elena Timpe gab vor allem die herrische, zischende Hexe Fabula Rasa großartig. Die zierliche Frau füllte mit ihrem Spiel und ihrer Stimme die große Bühne aus. Wie es ihr gelungen ist, mehrmals so flink aus dem Hexenkostüm in das Kleid der temperamentvollen spanischen Marquesa zu schlüpfen, bleibt ihr Geheimnis — und das sicher vieler helfender Hände hinter den Schlosskulissen.

Jan-Christof Kicks Charaktere im Stück könnten unterschiedlicher nicht angelegt sein; mal spielte er den furchterregenden Zauberer Zohak, dann den sich langweilenden, sanften König Ottokar, der sich eher wie ein Kind als ein Gebieter gebärdete.

Seine Dialoge mit Diener Plotz amüsierten die jungen Zuschauer sehr. Wenn Ottokar „Gebieter“ sagte und Plotz, alias Reinhild Köhncke, Vermieter verstand oder wenn aus „Hochwohlgeboren“ ein „Hochwohlgeschoren“ wurde, gingen die Lacher unter den Regencapes durch die Reihen. Köhncke fand sich auch als junge Prinzessin Amalie am versöhnlichen Ende an der Seite ihres Müllerssohns Hans.

Als Bauer, zweiter Diener des Königs und zweiter Diener des Zauberers stand Heinz Hermann Hoff keineswegs in der zweiten Reihe. Sein souveränes Spiel komplettierte die großartige Mannschaftsleistung.

Apropos großartig: Die Kostüme waren allesamt Hingucker. Ihre Pracht und Vielfalt wird auch den Schauspieler ihre Rollenwechsel leicht gemacht haben. Wenn man nicht so sehr damit beschäftigt gewesen wäre, das eigene Regencape an allen Seiten dichtzuhalten, hätte man sicher den Kostümideen noch mehr Aufmerksamkeit geschenkt.

Das wird nun nachfolgenden Zuschauern vorbehalten sein, die bei hoffentlich trockenerem Vorstellungswetter besser hinsehen und den verkürzten Premierenbeifall draufsatteln können.

Die Feuertaufe hat das Ensemble mit Bravour gemeistert. Intendant Jan Bodinus und Sabine Mroch vom Festspielverein, die in verständlicher Kürze die Spielzeit eröffnet hatten, können zufrieden sein. Entspannt scheinen sie jedenfalls zu sein. Die unfreiwillige Wasserdusche, die sie von einem Mitarbeiter beim Abziehen der Pfützen auf der Bühne abgekommen hatten, ließen sie mit breitem Grinsen abtreten. Dieses Lächeln dürften sie nach der erfolgreichen Premiere nicht verloren haben.