Schiefbahn: Meinungs- und Herzensbildung

Die Kreis-Kandidaten aller Parteien für den Bundestag stellten sich gestern den Schülerfragen.

Schiefbahn. Wenn es allein nach seinem Beruf ginge, hätte Udo Schiefner sein Mandat schon in der Tasche: Als Zuständiger für die Qualitätssicherung in einer Gladbacher Brauerei konnte der Kempener den ersten großen Applaus verbuchen.

Ansonsten war es ein hartes Publikum, das die fünf Politiker gestern im Forum St.Bernhard vorfanden: Zu ungenaue oder zu ausschweifende Antworten wurden mit Zwischenrufen abgestraft, Phrasendreschen mit Unaufmerksamkeit.

Um fünf Themen kreiste die zweistündige Diskussionsrunde - und die Kandidaten der Parteien, die sich im Kreis um ein Bundestagsmandat bewerben, mussten sich ins Zeug legen, um zu punkten.

Zum Warmlaufen brachten die Moderatoren Ruth Kuhlen und Sebastian Foitzik, beide 19, das Thema Bildung aufs Tapet. "Ich denke, die Studiengebühren gehören wieder in die Mottenkiste", sagte Schiefner und heimste erneut Beifall ein. Aber auch Schummer und Knauber, Befürworter der Gebühren, überzeugten mit ihren Begründungen.

Lediglich Bailey und Pietsch konnten mit ihren Exkursen über Bildungsbegriffe und Analphabetismus oder Allgemeinplätzen wie "Bildung ist ein Menschenrecht" die Schüler nicht so recht fesseln.

"Ich brauche als Grüne nicht so wahnsinnig viel zu Umwelt- und Energiepolitik zu sagen, das wisst ihr alle", setzte Bailey, in den 80ern in der Anti-Atom-Bewegung aktiv, eine gute Vorbereitung der Schüler voraus. Während Pietsch den sofortigen Ausstieg aus der Atomenergie fordert ("Wir wollen, dass die Erde Bestand hat") und Schiefner auf die Vereinbarung pochte, bis 2021 die deutschen Atomkraftwerke abzuschalten, plädierte Schummer, sich beim Ausstieg noch Zeit zu lassen und auf eine Mischung der Energiequellen zu setzen. "Ich gehöre eher zum harten Lager", sagte Knauber - sonst käme der Strom eben aus französischen und tschechischen Atomkraftwerken, da seien die deutschen sicherer.

Während die Politiker zuvor noch recht dröge auf der Bühne saßen, tauten sie beim Thema Afghanistan auf: Schummer erntete mit seinem flammendem Statement für Menschenrechte, Frieden und die Verantwortung der Uno für viel Zuspruch aus dem Publikum. Schiefner, Bailey und Knauber schlossen sich an - einzig Pietsch trat für den sofortigen Abzug ein.

"Ich war selbst bei der Bundeswehr in der Sportkompanie und habe dort das Laufen gelernt", sagte Schummer und sorgt für Lacher im Publikum. Er sprach sich für eine allgemeine Dienstpflicht für Jungen und Mädchen aus, "um auch Herzens- und Willensbildung zu erreichen". Schiefner wollte sich noch nicht festlegen, Knauber und Bailey stimmten für eine Abschaffung der Wehrpflicht, Pietsch warb für eine komplette Entmilitarisierung.

"7,50 Euro" - kurz und knapp äußerte sich Bailey, nachdem Schummer für einen tariflichen und Schiefner für einen allgemeinen Mindestlohn plädiert hatten. Zehn Euro fordert die Linke: "Um die Wirtschaft anzukurbeln, brauchen die Menschen Geld in der Tasche." Dem widersprach Knauber, der Pietschs Forderung als "DDR 2.0" wertete und den HartzIV-Satz als "Quasi-Mindestlohn" anführte.

Die Linke warf bei den Schülern die meisten Fragen auf: DDR und SED, der Wahlspruch "Reichtum für alle" und die Terrorbekämpfung mit bloßen Worten stießen auf Unverständnis.