Tagebuch: Mit dem Afrika-Virus infiziert

WZ-Mitarbeiter Stefan Finger zieht eine Bilanz seiner Reise nach Burkina Faso. Auf jeden Fall will er wieder hin.

Willich. Wieder europäischen Boden unter den Füßen - dabei hat mich der richtige Kulturschock erst jetzt eingeholt: Ich dusche mich mit 1A Trinkwasser! Das kommt einem nach einem vierwöchigen Aufenthalt in Burkina Faso so unglaublich fremd vor. Noch viel befremdlicher sind die Menschen hier.

Da starten die Weißen am Flughafen in ihren Anzügen eine halbe Revolution, beschimpfen das Flughafenpersonal und erregen sich so sehr, als wenn gerade die Welt untergehen würde, weil das Flugzeug von Paris nach Düsseldorf vier Stunden Verspätung hat. Klar, es ist ärgerlich und ich hätte mich vor ein paar Monaten ähnlich aufgeregt. Aber es ist so ein verschwindend kleines Problem, wenn man die Gesichter und Situationen aus Afrika noch im Kopf hat.

Die Menschen in Afrika lachen, obwohl sie häufig nichts zu beißen haben, es nicht zuletzt an Wasser, Kleidung und Bildung fehlt. Wenn man die Glücklichkeit der Menschen anhand ihrer Gesichtszüge messen könnte, könnte ich nach den wenigen Tagen in Deutschland schon jetzt sagen: Die Menschen in Burkina Faso sind viel glücklicher. Trotz ihrer Armut rennen sie nicht mit einem Gesicht durch die Stadt, dass man gleich Angst haben muss, dass sie über ihre eigenen Unterlippen stolpern.

Das zu sehen hat mir unglaublich viel an Lebenserfahrung gebracht und mir noch bewusster gemacht, dass niemand ein Leben mit Hunger und Durst verdient hat. Ich hätte nicht gedacht, dass sich mein Leben so schnell entfremden könnte. Als ich zum ersten Mal wieder meine eigenen vier Wände betreten habe, musste ich selbst innehalten. Es hat alles an Bedeutung verloren. Wofür brauchen wir den ganzen Krempel? Macht er uns wirklich glücklicher?

Gleichzeitig ist mir das Leben in Burkina Faso auch nie so nah gekommen, dass ich mir vorstellen könnte, dort zu leben. Der Kulturunterschied wäre für mich dann doch zu groß. Dass dort ein Präsident an der Macht ist, der seinen Vorgänger vor 20 Jahren hat umbringen lassen, war fürmich unbegreiflich. Jetzt, wo ich mich ein wenig mit den Mossi beschäftigt habe, die den größten Teil der Bevölkerung ausmachen, ist mir die Situation verständlicher geworden. Bei den Mossi gehört es dazu, dass zum Machterhalt Menschen umgebracht werden. Das ist bei den Dorffürsten legitim und beim Präsidenten erst recht.

Vor vier Jahren hat vermutlich der Präsident einen kritischen oppositionellen Journalisten umbringen lassen - warum lehnt sich der Journalist denn auch so weit aus dem Fenster? Eigentlich ist die Pressefreiheit per Gesetz verankert. Eigentlich. "Sagen wir’s mal so: Wir wissen, wie weit wir gehen können. Und das ist nicht sonderlich weit", erzählte mir ein Journalist.

Burkina ist eine Demokratie präsidialen Typs. Nur 40 Prozent der Bevölkerung ist in Wahllisten eingetragen (dazu bedarf es amtlicher Dokumente, die sich nicht jeder leisten kann) und von diesen 40 Prozent sind bei der letzten Wahl 60 Prozent wählen gegangen. "Da braucht der Präsident die Wahlen gar nicht fälschen zu lassen", sagte mir ein hohes Tier der Nationalen Wahlkommission abends beim Bier.

Dennoch hat Afrika mich nicht zum letzten Mal gesehen. Auch Burkina Faso nicht. "Wenn Dich einmal der Afrikavirus infiziert hat, hilft Dir keine Medizin mehr", hat mir ein Deutscher in den letzten Tagen meines Aufenthaltes gesagt. Damals habe ich gelacht. Jetzt weiß ich: Er hat Recht.