Willich: Kampf gegen Wassermassen

Bis zum Abend zählte die Feuerwehr 300 Einsätze in Willich. Die zweite Gewitterfront setzte St. Tönis zu.

Willich/Tönisvorst. Am Nachmittag hetzte Willichs Stadtbrandmeister Thomas Metzer schon von einem Ort zum nächsten: "Wir haben aktuell allein in Alt-Willich 180 Einsätze. Und die zweite Unwetterwarnung für den Ostkreis liegt uns vor. Wenn das noch schlimmer kommt, dann bricht hier alles zusammen."

War die Stadt Willich beim Unwetter am Wochenende noch glimpflich davon gekommen - am Freitag wurde sie mit voller Wetterwucht getroffen. Metzer rief Kempener Kollegen zu Hilfe. Auch Tönisvorster Feuerwehrleute fuhren nach Willich. Abends wurde dort sogar eine Spezialeinheit der Uerdinger Feuerwehr angefordert.

Vollgelaufene Keller, überflutete Straßen, Notstand im Katharinen-Hospital: Die Sommerschwüle zeigte von ihrer hässlichsten Seite, entlud sich mit Starkregen, Donner und Blitzen. Um 14.14 Uhr hatte die Polizei eine Unwetterwarnung des Deutschen Wetterdienstes für den Kreis gemailt, warnte vor Hagel (2-3 Zentimeter große Körner), vor heftigem Starkregen (30/40 Liter pro Quadratmeter in kurzer Zeit) und schweren Sturmböen der Stärke 10 (bis 95 km/h). Das traf wenig später Willich.

In Willichs Ortsmitte wurden überflutete Straßen und Kreisverkehre gesperrt. Ungezählte Keller wurden überflutet. Im Untergeschoss des Katharinen-Hospitals stand das Wasser Zentimeter hoch. Betroffen war ein CT-Raum. Die Röntgenabteilung der Ambulanz konnte stundenlang nicht arbeiten, die Chirurgie nicht mehr operieren.

In der Bütt wurden mit dem aufziehenden Gewitter die Freibad-Becken geräumt. "Unser größter Kummer ist jetzt die Wiese. Sie ist sehr matschig. In den Senken steht das Wasser," so Sprecherin Silvia Lüdtke. Sie hofft, dass die Wiese schnell abtrocknet.

Beeinträchtigt wurden auch die Schlossfestspiele in Neersen. "Wir mussten die Proben unterbrechen, die Kulissen-Möbel in Sicherheit bringen", so Ausstatterin Silke von Patay.

Willichs Bürgermeister Josef Heyes machte sich im Stadtgebiet selbst ein Bild von den Unwetterfolgen, fuhr durchs Stahlwerk Becker und durch Wekeln, um sich den Abfluss des Wassers in die Rückhaltebecken anzusehen. Am Abend kapitulierte das Regenrückhaltebecken im Gewerbegebiet Münchheide.

Die Lage in Tönisvorst schien zunächst weniger dramatisch, wenngleich auch dort schon mittags Anwohner und Bauern das Unwetter zu spüren bekamen. Raphael Steffens aus St.Tönis schickte ein Foto von "kirschkerngroßen Hagelkörnern, die fast an das letzte Jahr erinnern".

Die Feuerwehr musste einen 15 Meter hohen Baum zerlegen, der auf die Landstraße zwischen Vorst und St. Tönis gestürzt war. Vollgelaufene Keller und Straßen ließen Feuerwehr und Anwohner an Gerhart-Hauptmann-Straße, Heinrich-Böll-Straße, Zur Alten Weberei und im Bereich Gelderner Straße schuften. Das Wasser macht auch vor der Halle des Tenniscenters Lohrheide nicht halt.

Am frühen Abend zog ein zweites Unwetter durch. Um 18.30 meldete Feuerwehr-Sprecher Steeg für St. Tönis: "Land unter!" Das betraf sogar die eigene Feuerwache. Keller an der Theodor-Mülders-Straße standen bis einen Meter hoch voll Wasser.

Das Pumpwerk St. Tönis schaffte die Massen nicht mehr. Wasser und Fäkalien ergossen sich auf die Felder im Bereich Unterschelthof. In Tönisvorst wurde ein Krisenstab gebildet. Zuletzt gab es das beim Sturm Kyrill.

Die Bilanz des Unwettertages laut Willichs Stadtbrandmeister Thomas Metzer: "300 Einsätze in Willich, 84 in Tönisvorst, 137 in Kempen."

Was die Unwetter-Vorhersagen anging, gab’s abends Entwarnung. Nur ein kleiner Trost für Feuerwehrleute und betroffene Bürger in Willich und Tönisvorst zu Beginn einer langen Nachtschicht.