Willich: Wiedersehen mit den drei mutigen Retterinnen
Weil drei Willicherinnen spontan eingegriffen haben, ist Durkadin T. heute noch am Leben.
Willich. Sie selbst kann sich nicht einmal erinnern, ob es ein Mann oder eine Frau war. "Der Mensch beugte sich über mich und redete mir gut zu." Da lag Durkadin T. bereits am Boden, verletzt mit lebensbedrohlichen Stichwunden am Hals. Das erzählt sie bei ihrer Zeugenvernehmung im Prozess vor dem Krefelder Landgericht gegen ihren Mann.
Zekai T. hatte sie 1997 in der Türkei geheiratet und nach Deutschland geholt. Seine Eltern hatten sie für ihn ausgesucht. Aber schon ein halbes Jahr später war die Ehe unglücklich. Laut Durkadin T. sei sie geschlagen worden, und zum Deutschkurs durfte sie auch nicht: Dann wäre sie unabhängiger geworden. Trotz allem hielt sie an Zekai fest: "Ich habe ihn geliebt - leider."
Im Jahr 2008 eskaliert es. Im März schlägt Zekai seine damals 31-jährige Frau mit einem 80 Zentimeter langen Stock. Er tritt nach ihr, als sie am Boden liegt. Die Polizei verweist ihn der Wohnung. Durkadin lässt die Schlösser auswechseln, ihr Mann hat keinen Zutritt mehr zum gemeinsamen Haus in Wekeln.
Im Mai bedroht er sie mit einem Messer, als er seine Töchter im Rahmen einer Besuchsregelung sehen darf. "Ich habe die Klinge an meinem Hals gespürt", sagt Durkadin.
Am 22. Oktober kommen zufällig drei Frauen am Bonnenring vorbei und erleben mit, wie Zekai T. in der Mittagszeit das Messer zückt und im Beisein der vierjährigen Tochter auf seine Frau einsticht. Ursula M. beobachtet eine Rangelei zwischen einem Mann und einer Frau, lässt ihre Kinder im Auto und eilt hin. "Ich hatte das Gefühl, die Frau braucht Hilfe." Er hat sie im Schwitzkasten, schlägt mit der Faust Richtung Hals und Gesicht.
Erst dann sieht Ursula M. das Messer in seiner Hand: "Voller Blut." Sie versucht dazwischen zu gehen, zieht ihn an der Kleidung. Dann dreht er sich plötzlich zu ihr um. "Ich dachte, jetzt tut er mir auch etwas." Den Schrei des Kindes wird sie nie vergessen. "So etwas habe ich noch nie gehört", sagt die Sozialpädagogin und Musiktherapeutin.
Durkadin T.
"Ups, dat is ernst", denkt Ute C., die auf ihrem Weg in die Mittagspause die Rangelei beobachtet. Als sie dazu kommt, wird sie von Ursula M. gewarnt: "Der hat ein Messer." Beide beobachten, wie er erneut auf das am Boden liegende Opfer einsticht, bevor er in Richtung Friedhof verschwindet.
Gabriele K. denkt erst: "Gott, ist der aber stürmisch", bevor ihr der Ernst der Lage klar wird. "Der hat sie an sich gerissen, die Frau und das Kind brüllten. Das Blut. Sie ist zusammengebrochen." Als sie sieht, wie der Mann verschwindet, geht sie zum Auto, verständigt Polizei und Rettungsdienst.
Weil Durkadin T. den Zeugenaussagen als Nebenklägerin beiwohnt, kennt sie jetzt ihre Retterinnen. "Danke", flüstert sie jedesmal und ihre Stimme ist so von Tränen erstickt, dass die das nicht hören können. Richter Herbert Luczak sagt es laut: "Im Sinne aller Beteiligten - und da schließe ich den Verteidiger und seinen Mandanten ein - möchte ich Ihnen für Ihr mutiges Verhalten Respekt und Anerkennung aussprechen."
Der Prozess wird am Dienstag fortgesetzt.