Interview mit Landrat Peter Ottman „Wir stehen gut da, dürfen aber nicht klein-klein denken“

Landrat Peter Ottmann hat am Dienstag seinen letzten Arbeitstag. Im Interview mit der WZ zieht er Bilanz.

Foto: Friedhelm Reimann

Kreis Viersen. Elf Jahre lang stand Peter Ottmann an der Spitze des Kreises Viersen. Am Dienstag hat der Landrat seinen letzten Arbeitstag im Viersener Kreistag. Kurz zuvor traf er sich mit der WZ zum Interview.

Herr Ottmann, in Ihrer Antrittsrede 2004 haben Sie gesagt, dass Sie gemeinsam mit Verwaltung und Politik viel bewegen wollen. Ist Ihnen das gelungen?

Peter Ottmann: Das müssen andere beurteilen. Am Ende der elf Jahre, die ich hier bin, kann ich nur sagen, dass immer viel Bewegung drin war. Das betrifft sowohl interne Verwaltungsvorgänge als auch das, was draußen wahrgenommen wird.

Was hat Sie denn als Landrat besonders bewegt?

Ottmann: Wenn ich an den Beginn meiner Amtszeit 2004 denke, gab es sofort die Veränderung der Sozialtransferleistung. Die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe hat uns vor große Herausforderungen gestellt. Das war eine Kraftanstrengung. Dann gab es die Umstellung auf das Neue Kommunale Finanzmanagement mit der Einführung von SAP als Software. Das war eine Zeit, in der ich auch Verbandsvorsteher des Kommunalen Rechenzentrums war. Da mussten alle bei Laune gehalten werden. Und dann haben wir in den organisatorischen Abläufen einiges verändert: Welche Aufgaben müssen wir übernehmen, und welches Personal brauchen wir dafür?

Bei den Aufgaben des Kreises mussten Sie sich stets mit den einzelnen Kommunen auseinandersetzen. Mit Blick auf die Kosten stören sich die Bürgermeister Jahr für Jahr an der Kreisumlage. Wie sehr hat Sie diese Diskussion genervt?

Ottmann: Genervt hat das nicht. Die Diskussion habe ich ja als Landrat und auch als Bürgermeister von Nettetal erlebt — also auf beiden Seiten.

Und auf welcher Seite ist die Debatte einfacher?

Ottmann: Es ist immer einfacher zu sagen, dass die Kreisumlage zu hoch ist. Aber ein gewisser Streit ist doch in Ordnung. Streit heißt ja nicht, dass man Krach hat oder sich nicht versteht. Wir haben uns immer vertragen, aber man darf auch mal anderer Meinung sein. An einem Tisch ringt man um den richtigen Weg, und am Ende steht ein Ergebnis, das alle akzeptieren. Ich glaube, dass die Finanzlage der Städte und Gemeinden trotz aller Probleme insgesamt in Ordnung ist. Und auch beim Haushalt des Kreises ist die Verschuldung geringfügig gesunken.

Die Kassen der Kommunen werden derzeit vor allem durch die Flüchtlingskrise belastet. Wie schätzen Sie die Dimension dieses Themas ein?

Ottmann: Ein Thema dieser Dimension hat es noch nicht gegeben.

Können Sie in diesen Tagen schon an den Ruhestand denken? Oder dreht sich alles um das Thema Flüchtlinge?

Ottmann: Es beherrscht die tägliche Arbeit. Unser Krisenstab und alle Einsatzkräfte machen einen sehr guten Job bei der Unterbringung der Flüchtlinge. Die Zusammenarbeit mit den Städten und Gemeinden läuft gut. Es können aber täglich neue Flüchtlinge eintreffen. Wir haben der Bezirksregierung signalisiert, dass die Kapazitätsgrenzen bald erreicht sind.

Mit der ersten Unterbringung der Menschen ist das Thema nicht vom Tisch. Wie schwer wird die Integration?

Ottmann: Sehr schwer. Wir dürfen uns nicht vormachen, dass nur top ausgebildete Akademiker zu uns gekommen sind und kommen. Man wird nicht jeden Flüchtling so einfach in den Arbeitsmarkt integrieren können. Dass die Unternehmen nun endlich die Fachkräfte bekommen, die sie brauchen, ist ein Märchen. In allen Bereichen muss jetzt eine Menge bewegt werden: Wohnungsbau, Kindertagesstätten, Schule, Ausbildung, Berufsmarkt. Wir stehen vor einer Riesenaufgabe, die zu schultern ist.

Für den Kreis Viersen ist ab Mittwoch Ihr Nachfolger Andreas Coenen gefragt, diese Aufgaben mit zu meistern. Geben Sie ihm Ratschläge?

Ottmann: Nein, das brauche ich glaube ich nicht. Andreas Coenen kennt die Verwaltung des Kreises Viersen länger als ich.

Welches Thema muss Ihr Nachfolger anpacken? Was kommt auf den Kreis zu?

Ottmann: Die Ergebnisse des Masterplans geben gute Hinweise. Ein Thema ist zum Beispiel die Regiobahn. Das geht aber vor allem die Verantwortlichen in Mönchengladbach an. Die Vorteile dürften auch in Gladbach auf der Hand liegen.

In Ihre Amtszeit fiel 2015 auch das 40-jährige Bestehen des Kreises. Trotzdem hat man das Gefühl, dass das Gebilde mit neun Kommunen immer noch auf der Suche nach einer Identität ist. Sehen Sie das auch so?

Ottmann: Alle Städte und Gemeinden haben für sich etwas zu bieten. Und gemeinsam logischerweise noch mehr. Wenn ich woanders bin und erkläre, was den Kreis Viersen ausmacht, fällt mir als erstes immer die Natur ein. Hinzu kommt eine florierende Wirtschaft. Viele Mittelständler zum Beispiel haben dafür in den vergangenen Jahrzehnten gesorgt. Kurzum: Es ist wunderschön hier. Wenn wir das alle verinnerlichen und auch immer wieder zum Ausdruck bringen, bekommen wir auch so etwas wie eine gemeinsame Identität hin.

Auch wenn vor allem immer mehr Kempener mit einem KK- statt eines VIE-Kennzeichens herumfahren?

Ottmann: Ob es gelingt einem Kempener Viersen schmackhaft zu machen, daran habe ich Zweifel (lacht). Die Stadt ist eine Perle am Niederrhein. Darauf können die Kempener stolz sein. Diesen Stolz könnte man auch in ein Gemeinschaftsgefühl einfügen.

Wenn Sie nun Ihr Büro räumen, gehen Sie mit einem guten Gefühl? Ist der Kreis Viersen gut aufgestellt?

Ottmann: Wir stehen gut da. Allerdings muss das immer weiter entwickelt werden. Wir dürfen nicht klein-klein denken. Stichwort Metropolregion Rheinland, in der Köln und Düsseldorf voran gehen. Um global mitspielen zu können, muss auch der Kreis Schritt halten. Die Metropolregion wird es geben. In welcher Form, werden wir sehen.

Verlassen Sie das Amt mit Wehmut?

Ottmann: Es fehlte bisher die Zeit, sich darüber Gedanken zu machen. Es geht jetzt ein bedeutender Lebensabschnitt zu Ende. Innerhalb einer Verwaltung stand ich unter anderem in Nettetal und beim Kreis 31 Jahre lang in der Hauptverantwortung. In dieser Zeit ist mit großer Unterstützung aller Mitarbeiter und auch der Politik viel gestaltet worden. Die positiven Erinnerungen werden überwiegen. Und von daher ist ein bisschen Wehmut dabei.

Auf was freuen Sie sich jetzt im Ruhestand?

Ottmann: Vor allem darauf, dass ich mehr Zeit für Familie und Freunde habe. Meine Frau und ich möchten einige Reisen unternehmen. Ich habe auch noch einige Aufgaben mitgenommen, ehrenamtliche und nebenberufliche. Sportlich möchte ich auch weiter aktiv bleiben. Nach einer Operation an der Achillessehne, die ich kürzlich hatte, hoffe ich, dass ich bald wieder joggen kann. Und Tennis würde ich auch gerne wieder spielen. Mal sehen, was mein Arzt dazu sagt.