Die Amsterdam Sinfonietta in der Tonhalle Düsseldorf Je mehr Noten, desto schöner

Düsseldorf · Die Amsterdam Sinfonietta präsentierte ein Heinersdorff-Konzert in der Düsseldorfer Tonhalle. Solist war der Pianist Bruce Liu.

Der Pianist Bruce Liu.

Foto: Heinersdorff/Bartek Baczyk

Noch am Vortag hat Bruce Liu im Radiointerview vom Kartsport geschwärmt. Er liebt Geschwindigkeit, aber vor allem deren volle Kontrolle. Zitat Liu: „Die Ambition sollte auf keinen Fall die Fähigkeiten überholen.“

Was das für sein Konzert mit der Amsterdam Sinfonietta in der Tonhalle bedeutet? Liu fliegt selbst bei höchsten Ambitionen nirgendwo aus der Kurve. Dass ihn die ersten vier Minuten von Chopins Andante spianato et Grande polonaise brillante für Klavier und Orchester ein wenig kühl gelassen haben, hat der Hörer bald vergessen: Liu knuspert Arpeggien in Metern pro Zehntelsekunde, federt sehnige Spannkraft aus dem Bass-Motor – alles ohne jegliche Schweißbildung. Wenn er eine seiner leichtfingrigen Non-legato-Pirouetten ebenso elegant abbremst, wie er sie beschleunigt, weiß man: Er sammelt kurz das Orchester auf, das hat zwar nur ein paar Noten, aber die soll es halt brav mitmachen. Wenn unangestrengte Überlegenheit die Eleganz des Dandys auszeichnet: Voilà, das ist Bruce Liu.

Konzertmeisterin Candida Thompson präsentiert in der Streichorchesterfassung von Tschaikowskis „Souvenir de Florence“ eher einen sportiven SUV. Im ersten Satz wirken die fünf Celli und zwei Kontrabässe doch reichlich dominant im Vergleich zur etwas untergebutterten ersten Geige. Die durchsichtigsten, berückend schönsten Momente liefern die solistisch besetzten Passagen im zweiten Satz. Später, als alle warmgelaufen sind, gilt: Wenn’s am meisten Spaß macht, gehen den tiefen Streichern ein bisschen die Pferdestärken durch. Der letzte Satz ballert doch recht massiert im tiefen Register, das ist nicht immer fein, reißt aber ordentlich mit.

Chopins f-Moll Klavierkonzert mit Bruce Liu braucht längeren Atem als das Eröffnungsstück. Ideen gibt es genug. Liu zündet einen Einfall nach dem anderen, jeden mit der gleichen Überzeugung. Die Melodie nimmt bei jedem winzigen Schlenker die Begleitung mit, und auch das Orchester bemüht sich, auch kleine Impulse geistreich zu untermauern. Es bleibt zusammen, was zusammengehört, die linke Hand weiß immer, was die rechte tut.

Das wird im langsamen Satz zum Problem. Je weniger Töne es gibt, desto mehr Schwerpunkte hört man. Ein Spannungsraum zwischen Diskant und Bass, gar zwischen Orchester und Solist, mag sich so nicht recht eröffnen. Nichts gerät ins Fliegen, man geht nirgendwo verloren. Man hofft zu Recht auf Lius umwerfend feinnerviges Verzierungswerk im letzten Satz und wird nicht enttäuscht. Je mehr Noten, desto leichter der Sinn. Tief berührt ist man am Ende vielleicht nicht, aber schon schwer beeindruckt. Riesenapplaus.

(leng w.g.)