Musical: Peitschenhiebe für den Superstar
Die Rockoper „Jesus Christ Superstar“ feiert Premiere am Theater in Rheydt – mit stehenden Ovationen.
Rheydt. Richtig heftig. Das war die Premiere von "Jesus Christ Superstar" am Sonntagabend im Theater in Rheydt. Und sie begeisterte das Publikum. Es gab stehende Ovationen und tosenden Beifall für alle Beteiligten: die Akteure, den Chor, die Musiker im Orchestergraben, den musikalischen Leiter Giuliano Betta, Heinz Klaus, der den Chor leitet, Rochus Triebs, der alles mit dem Jugendchor eingeübt hat, den Regisseur und die Ausstatter.
Es ist Reinhardt Friese als Regisseur, Günter Hellweg als Bühnenbildner, Annette Mahlendorf als Kostümbildnerin und Frank P. Kuhn bei den Videoeinspielungen sehr gut gelungen, die vielen Menschen, Chor, Extrachor, Jugendchor, Statisterie der Städtischen Bühnen eindrucksvoll in die richtigen Bahnen zu lenken.
Das Bühnenbild umreißt zunächst ein Tempelgeviert, lässt sich erweitern zur Straße. Da ziehen die Israeliten ihre grau-weiß gemusterten Mäntel aus, knüllen sie zusammen, werfen sie auf die römischen Soldaten, und man meint, Steine fliegen zu sehen in einer Straßenschlacht.
Sofort ist klar, dass die Geschichte des Neuen Testaments in einem besetzten Land spielt und die Leute vielleicht andere Probleme hatten, als über ihr Seelenheil nachzudenken. Sie wollen Jesus als politischen Befreier von den Römern und nicht als Erlöser von den Sünden. Wie sich die Wut in der Szene der 39Peitschenhiebe entlädt, das ist sogar für das Publikum im Saal körperlich spürbar. Wie Judas’ Beine zucken, nachdem er sich erhängt hat. Wie Jesus in der Einsamkeit des Garten Gethsemane hadert: Das alles ist so dicht und so bedrängend erzählt, so gut nachvollziehbar für jeden.
Dem entgegen steht das Bedürfnis nach Spiritualität, die in den 70er Jahren, der Entstehungszeit des Musicals von Andrew Lloyd Webber, ein neues gesellschaftliches Massenphänomen war. Videoeinspielungen lassen "Jesus liebt dich" als Graffiti auf den auch einengenden Mauern erscheinen. Sie werfen ein Licht auf die Gefahr, die damit einherging, das Abgleiten in Sektiererei à la Charles Manson.
Die Musiknummern, die jeder aus Fernsehen und Radio kennt, reihen sich Schlag auf Schlag aneinander. Es bleibt kaum Zeit, die großartigen Bilder wirken zu lassen, Szenenapplaus zu spenden. Der Abend ist kompakt, dauert unwesentlich länger als das Abspielen zweier Seiten einer Langspielplatte, ganz nach dem ursprünglichen Konzept für "Jesus Christ Superstar".
Die Partien von Judas und Jesus mit den "Gast-Künstlern" Ralf Meyring und Christian Venzke zu besetzen ist absolut stimmig. Kerstin Brix als Maria Magdalena agiert mit Gesten und Stimme so sanft, wie sie nur bei Blumenkindern sein können. Matthias Wippich leiht seinen samtenen Bass dem Hohen Priester Kaiphas und Michael Kupfer beschreitet ebenfalls eindrucksvoll mit seinem Bariton als Pontius Pilatus den Weg außerhalb des klassischen Fachs.
Die meisten Vorstellungen von "Jesus Christ Superstar" im Theater in Rheydt sind bereits ausverkauft.
Karten gibt es noch für den 22. Mai, 19. Juni, jeweils 20 Uhr, 22. Juni, 16 Uhr, zum Preis von 14,40 bis 34,50 Euro. Reservierung: Tel. RY 6151-100.