Büderich: Zauberei am Herd in der Molekularküche

Tomatenluft und Melonenkaviar durchbrechen die altbekannte Kochkunst.

Büderich. Wenn es in der Küche geheimnisvoll dampft und aus dem Schneebesen ein vermeintlicher Zauberstab wird, sind die Grenzen der gewohnten Gastronomiegesetze überschritten. Hier beginnt die "Avantgarde Cuisine" - die molekulare Küche.

Zwischen Spritzen, Laborgläsern und Pipetten entwickelt der Koch dann Olivenöllollies, Melonenkaviar und Parmesanspaghetti - ohne Nudelteig, sei angemerkt. Selbst für aufgeklärte kulinarische Freunde ist das neu. Guy de Fries, Küchenchef des Landhaus Mönchenwerth in Büderich, bezeichnet die molekulare Küche als die "Entdeckung eines sechsten Kontinents."

Hinter all dieser Zauberei steckt jedoch eine fundierte Wissenschaft: Die Molekularküche befasst sich mit den bio- und physikalisch-chemischen Prozessen des Kochens, einst entstanden aus Fragen wie "Wieviel Grad hat ein Souffle im Inneren?"

Was zu einer Verbesserung alter Rezepte dienen sollte, entwickelte sich bald zur Forschungsreise einiger Köche: Der bekannteste unter ihnen, Ferran Adria, schließt sechs Monate im Jahr sein spanisches Restaurant "El Bulli", um neue Molekularrezepte zu entwickeln.

Auch de Fries konnte, so sagt der Elsässer, nächtelang nicht schlafen, als er das erste Mal vor zwei Jahren mit der Molekularküche in Berührung kam. Mittlerweile weiht er selbst Hobbyköche in die Geheimnisse ein, "die eigentlich gar keine sind. Denn alle molekularen Produkte entstehen durch die Zugabe von natürlichen Mitteln, die die Struktur der Lebensmittel verändern".

Da wäre das Alginat (auf Algenbasis), das einen Saft, mit einer Pipette in ein Calcium-Bad getropft, in Kaviar-Kügelchen verwandeln kann. Oder das Verdickungsmittel Xanthan, das in einem Fond "heiß geliert" wird und nach einem Ruhetag in einem Schlauch als Spaghetti hinausgepresst werden kann.

"Flauschiges Öl" lässt sich aus Maltodextrin, einem Kohlenhydratgemisch, herstellen. Das Pulver wird, mit Erdnussöl vermischt, in Form gebracht und kann so als überraschendes Dessert gereicht werden.

Die Teilnehmer des Kochkurses "Molekulare Küche mit Guy de Fries" sind sich einig: "Damit werden wir unsere nächsten Gäste überraschen." Der 42-jährige de Fries hofft hingegen, all jene in sein Restaurant locken zu können, die bisher von der normalen "Haute Cuisine" unbeeindruckt blieben.

Einem Erstaunen über die "Drachenluft" kann sich wohl niemand entziehen: Ein in minus 200 Grad kaltem Stickstoff gebadeter Tomatenschaum verwandelt sich in ein Wölkchen aus hocharomatischer Tomatenluft, die sogar dampfend zur Nase heraus kommt. Die aufwendige Arbeit hat seinen Preis: Unter 100 Euro gibt es keine molekularen Schmankerl.