Meerbusch: Überlebenskampf der jungen Stadt
Erst 1976 ist die Existenz der Stadt Meerbusch nicht mehr gefährdet.
Meerbusch. Es war die Bevölkerungszunahme, die für Kopfzerbrechen sorgte. In den zwei Jahrzehnten nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs verdoppelte sich die Einwohnerzahl in den damals selbstständigen Gemeinden Büderich, Osterath und Lank.
Grund genug, durch eine Neugliederung des damaligen Landkreises Kempen-Krefeld, der zum Landkreis Grevenbroich gehörenden Gemeinde Büderich und der Stadt Viersen eine neue, wirtschafts- und entscheidungsstarke Kommune zu schaffen.
Ein Gesetzentwurf begründete die Notwendigkeit der neuen Stadt Meerbusch. "Wirtschaftlich konnten die einzelnen Gemeinden auf Dauer nicht überleben", erinnert sich Ernst Handschumacher, nach 1970 erster Bürgermeister Meerbuschs.
Die rechtliche Geburtsstunde der Stadt Meerbusch schlug in einer Landtagssitzung am 16. Dezember 1969. Mit wenigen Gegenstimmen wurde der Zusammenschluss von Büderich, Osterath, Lank-Latum, Nierst, Bösinghoven und Strümp zu einer Stadt per Gesetz beschlossen. Handschumacher: "Wir nahmen unsere Arbeit auf, so gut wir konnten und dachten: Das ist es jetzt. Jetzt sind wir eine Stadt."
Falsch gedacht. Schon knapp ein Jahr später musste sich die junge Stadt gegen Auflösungsbestrebungen zur Wehr setzen. Diese kamen ausgerechnet aus dem NRW-Innenministerium. "Uns war dies völlig unerklärlich. Wir hatten so gut gearbeitet, wie das von uns zu erwarten gewesen war", so Handschumacher. "Doch wir sahen der Auflösung der Stadt entgegen. Unsere Beamten und Mitarbeiter hatten sogar schon ihren Marschbefehl in andere Ämter etwa in Düsseldorf."
Handschumacher und dem Stadtdirektor Edgar Sonnenschein war klar: Man würde um die Stadt kämpfen. Vor dem Verfassungsgerichtshof in Münster wurde Klage erhoben. Das Gesetz zur Auflösung sollte für nichtig erklärt werden.
Die Entscheidung erreichte Handschumacher ausgerechnet, als er das neue Schulzentrum in Strümp, das heutige Meerbusch-Gymnasium, einweihte. "Die Herrschaften aus Düsseldorf waren extra angereist, auch der damalige Schuldezernent, der seine neue Schule anschauen wollte."
Die Einweihung wurde zum Triumph für die Stadt Meerbusch. Doch noch war die Gefahr nicht vorüber. Eine mündliche Verhandlung in Münster knapp sieben Monate später, im Juli1975, brachte Gewissheit. "Wir waren per Bahn und mit Fahrgemeinschaften nach Münster gefahren und haben noch auf dem Parkplatz die Sektkorken knallen lassen", erinnert sich Handschumacher.
Für einen Ministerialbeamten, der ausgeschickt worden war, die Stimmung der Meerbuscher auszuloten, hatte das ein böses Nachspiel. Handschumacher: "Der gute Mann fand Jahre später in seiner Personalakte den bösen Vermerk, er habe mit uns angestoßen."
Abends wurde die Entscheidung in Meerbusch mit einem Fackelzug gefeiert, wo sich mittlerweile in Form des Bürgerkomitees "Ja zu Meerbusch" massiver Widerstand gegen die Auflösung formiert hatte. "Wir haben keinem gesagt, dass die Gefahr auch damit nicht gebannt war."
Noch konnte ein Reparaturgesetz die Stadtgründung rückgängig machen. Darauf drängte Innenminister Burkhard Hirsch, Nachfolger von Willy Weyer und der neuen Stadt nicht zugetan. Zur Auflösung von Meerbusch gebe es keine Alternative, hatte Hirsch stets betont.
Er wollte eine persönliche Anhörung, einen Ortstermin im März 1976. Der wurde zu einem Spießrutenlauf für den Innenminister. "Die Zukunft nicht verbauen" lautete der Titel einer Schrift, die Hirsch selbst herausgegeben hatte.
"Damit hatte ich ihn gepackt. Die Zukunft nicht verbauen, das sollte er sich bei uns in Meerbusch zu Herzen nehmen", berichtet Handschumacher von dem Duell, zu dem Hirsch durch ein Spalier von Schulkindern schreiten musste.
Das rhetorische Talent Handschumachers und ein Zwischenfall mit einem WDR-Team - eine Kamera wurde zu Fall gebracht, es kam zu Tumulten - weckten überregional Sympathien für die junge Stadt: So entschied im Mai 1976 im Landtag eine Zwei-Stimmen-Mehrheit, gegen Meerbuschs Auflösung.