150 Millionen bergen auch Risiken
Es ist möglich, dass ein Teil der hohen Steuersumme an andere Empfänger fließt. Zudem droht der Stadt ein Strafzins.
Neuss. Als einzige Großstadt Nordrhein-Westfalens kann Neuss heute eine Ausgleichsrücklage vorweisen, die genauso gut gefüllt ist wie bei Einführung des Neuen kommunalen Finanzmanagements (NKF) vor gut zehn Jahren. Denn während allerorten dieses Polster seitdem auf Null verdampfte, kann die Stadt jetzt neu „einzahlen“: Zu dem Überschuss aus dem Vorjahr in der Größenordnung von zwölf Millionen Euro kam am Montag die Gewerbesteuerzahlung eines einzelnen Unternehmens von 150 Millionen. Die Reaktionen waren unterschiedlich — auch in der Verwaltungsspitze. Während Bürgermeister Reiner Breuer den Tag, an dem die Summe bei der Stadtkasse einging, gestern vor der Presse das Prädikat „historisch“ verlieh, war Kämmerer Frank Gensler erkennbar bemüht, vor allem die Risiken dieser Situation zu betonen. „Im schlimmsten aller Fälle zahlen wir am Ende drauf“, sagte er.
Das Risiko, diese Vorauszahlung nach der noch ausstehenden Betriebsprüfung und einer endgültigen Veranlagung des Unternehmens möglicherweise mit sechs Prozent verzinst zurückzahlen zu müssen, konnte allerdings gebannt werden. Mit dem vereinbarten gegenseitigen Zinsverzicht ist auch der Verdacht aus der Welt, das Unternehmen hätte mit der Vorauszahlung einfach enorm viel Geld bei der Stadt geparkt, um am Ende mit der Rückzahlung einen hübschen Zinsgewinn einzustreichen.
Doch andere Risiken bleiben. Erstens: Ende Juni wird die Steuerkraft der Stadt Neuss erhoben, die Grundlage zum Beispiel für die 2018 zu zahlende Kreisumlage ist. Steht bis dahin nicht fest, wie viel von den 150 Millionen Neuss behalten darf (was angesichts der Dauer einer dazu nötigen Betriebsprüfung ausgeschlossen scheint), wird Neuss über die Gesamtsumme bewertet. Und zahlt. Gut 80 der 150 Millionen Euro fließen dann an andere Empfänger ab. Für den Fall, dass die Stadt die Steuer erstatten muss, betont allerdings Landrat Hans-Jürgen Petrauschke, „bleiben die einmal gezahlten Umlagen an Land und Kreis für die Stadt verloren“.
Zweites Risiko: Mit der Überweisung wächst das Barvermögen und die Gefahr, für das Geld auf dem Konto 0,4 Prozent Strafzinsen zahlen zu müssen. Aktuell versuche man, diesen Liquiditätsüberschuss an Dritte loszuwerden. Dabei denkt der Bürgermeister auch an die anderen Städte und Gemeinden im Kreis, die sich solidarisch zeigen könnten. Schließlich profitieren sie vom Neusser Geldsegen durch eine niedrigere Kreisumlage in 2018. Nicht ganz so zurückhaltend wie die Verwaltung geht die Politik das Thema an. CDU wie auch SPD unterstützen zwar den Kurs eines verantwortungsvollen Umgangs mit den städtischen Finanzen, fügen aber gleich eine „Bestellliste“ bei. „Die Rücklagen könnten gestärkt und Investitionen getätigt werden“, formuliert Jörg Geerlings (CDU) noch unscharf. Doch Arno Jansen (SPD) fordert gleich eine „Bürgerrendite“ mit Stadtteilzentrum Further Hof, Multifunktionshalle und schnellem Internet für alle.