Clemens-Sels-Museum bekommtJugendstil-Kunst geschenkt
Ein Sammler mit Neusser Wurzeln hat der Stadt mehr als 600 Objekte angeboten.
Neuss. Berlin, Leipzig, Paris, Brüssel, Barcelona — schon bald könnte Neuss in die Riege der internationalen Jugendstil-Zentren aufsteigen. Der Stadt wurde jetzt eine mehr als 600 Objekte umfassende Privatsammlung angeboten. Erstmals beschäftigt sich der Stadtrat am kommenden Freitag mit dem Thema. Hinter dem schlichten Tagesordnungspunkt „Annahme einer Kunstschenkung“ verbirgt sich eine kleine Sensation. Ein Sammler mit familiären Wurzeln in Neuss hat mehr als fünf Jahrzehnte Kunst und Kunstgewerbe des Jugendstils zusammengetragen. Er ist bereit seine Sammlung der Stadt und somit dem Clemens-Sels-Museum zu schenken.
Bereits seit einem Jahr verhandelt der Sammler mit der Stadt, die federführend durch Bürgermeister Herbert Napp und die Kulturbeigeordnete Christiane Zangs vertreten wurde. Die Bürgermeister-Kandidaten Reiner Breuer (SPD) und Thomas Nickel (CDU) waren informiert. Mitte August parafierten der Sammler und der Bürgermeister einen Vertragsentwurf als Absichtserklärung, die nun in den politischen Gremien beraten und entschieden werden muss.
Allerdings muss die Stadt für die Schenkung auch einen Preis bezahlen. Für eine derart hochkarätige Sammlung — im finanziellen wie im künstlerischen Sinn — verbietet es sich, sie in einem Raum mit Dach und vier Wänden zu zeigen. Die äußere Präsentation, der architektonische Entwurf, muss das passende Schatzkästchen sein. Oder besser noch: eine große Schatulle, denn aus der Sammlung heraus ergeben sich auch wunderbare Möglichkeiten für Wechselausstellungen. Im ersten Schritt wird der Stadtrat am Freitag über die Bereitstellung von Planungskosten entscheiden.
Findet die Jugendstil-Sammlung in Neuss ihre neue Heimat, so würde die Stadt zu einem neuen Zentrum des Jugendstils. Kaum ein großer Name fehlt in der Sammlung, etliche Exponate sind Unikate. In einigen Fällen gibt es Zweitstücke, die renommierten Häusern wie etwa dem New Yorker Museum of Modern Art gehören.
Sollte der Rat die Schenkung annehmen und diese in den Besitz des Clemens-Sels-Museum übergehen, befände sich das Haus am Obertor in einer Liga etwa mit dem Bröhan-Museum in Berlin, dem Museum für angewandte Kunst in Wien und dem Pariser Musée d’Orsay. Und wäre unter diesen noch etwas Besonderes. Denn die Sammlung umfasst nicht allein exquisite Möbel, Glas, Keramik, Silber und Leuchten etwa von Eugène Gaillard, Emile Gallé, Louis Majorelle, Hector Guillard, Henry van de Velde oder Bruno Paul und Bernhard Pankok, sondern sie umfasst auch zahlreiche Gemälde und Zeichnungen.
Heinrich Vogeler, Otto Modersohn, Gustav Klimt, Alphonse Mucha, Franz von Stuck, Gustave Moreau oder Edward Burne-Jones sind nur einige Namen, die sich mit zum Teil lebensgroßen Gemälden in der Sammlung finden lassen und die Hochzeit des Jugendstils repräsentieren.
Die kunstgeschichtliche Epoche des Jugendstils wird auf die Zeit der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert datiert. Sie hat kaum ein Land in Europa unberührt gelassen. In Frankreich hat sich der Jugendstil als „Art Noveau“ etabliert., in Österreich als Secessionstil (nach der berühmten Wiener Secission) und in England als Modern Style. In jedem Land gab es stilbildende Künstler. Und von jedem findet sich ein Stück in der Sammlung.
Bemerkenswert ist vor allem, dass der Sammler als Kunsthändler zum einen über den erforderlichen Sachverstand verfügt und zum anderen viel Herzblut in die Sammlung hinein gibt. Er kauft — bis heute — unter ästhetschen Gesichtspunkten. Aber nur, wenn ein Objekt in die große Sammlung passt, sie ergänzt oder auch erweitert. In letzter Zeit kommt dann allerdings vermehrt schon mal im verschmitzten Ton der Zusatz „Das ist für Neuss“ hinzu.