Der Neusser Haushalt birgt Risiken
Der Etat für 2016 ist beschlossen. Die Kreisumlage und die Kosten der Flüchtlingsbetreuung sind unsichere Faktoren
Neuss. Vielleicht war es das schönste Weihnachtsgeschenk für Bürgermeister Reiner Breuer: Zum ersten Mal seit vielen, vielen Jahren stimmte gestern „seine“ SPD dem Haushaltsplan der Stadt zu. Der findet damit die beinahe größtmögliche Zustimmung im Rat. Außer der Koalition von CDU und Grünen, die sich als Architekten dieses Etats versteht, stimmte nämlich auch die FDP, deren Fraktionsvorsitzender Manfred Bodewig von einem Interimshaushalt sprach, zu — „wenn auch nicht glücklich“.
Damit wird der Etat mit einem Ausgabevolumen von 471 Millionen Euro nur von der Linkspartei, der AfD und dem Tandem „UWG/BIG-Partei“ abgelehnt. In Stimmen: 60 für und nur sieben Stadtverordnete gegen den Etat, der mit einer Kapitalaentnahme beim Liegenschaftsbetrieb in Höhe von 24,7 Millionen Euro ausgeglichen werden muss.
Dieser Etat ist nicht ohne Risiken. Die Kosten für die Unterbringung und Betreuung der Flüchtlinge ist nicht abschätzbar. Um keinen Nachtragshaushalt einbringen zu müssen, wird Kämmerer Frank Gensler in den Quartalsberichten der Finanzverwaltung zunächst nur die Ausgaben darlegen, denen er — so die Hoffnung — Erstattungen von Bund und Land in gleicher Höhe gegenüberstellen kann. Zweite Unklarheit: die Höhe der Kreisumlage. Die hat Gensler so veranschlagt, als gäbe es die Diskussion um einen höheren Hebesatz gar nicht.
Auf Sicht wird die Stadt mit einem strukturellen Defizit in der Größenordnung von jährlich rund 20 Millionen Euro zu kämpfen haben. Die so genanten Krieger-Millionen aus dem Grundstücksverkauf für das Höffner-Möbelhaus sind aufgebraucht, die Gewerbesteuern sprudeln auf Rekordniveau — jetzt braucht es andere Wege, um die Finanzprobleme in den Griff zu bekommen. Die Koalition will gleich am Jahresanfang einen Arbeitskreis Haushalt einberufen, um mittelfristig zu Entlastungseffekten zu kommen.
Einen Trumpf hat die Politik aber noch im Ärmel und will ihn wohl zeitnah ausspielen: die restlichen Flächen im Gewerbegebiet Hammfeld II. Sie sollen nun zeitnah entwickelt werden. Es wäre vielleicht an der Zeit, sagte dazu der Grünen-Fraktionsvorsitzende Michael Klinkicht, über die Gründung einer Stadtentwicklungsgesellschaft nachzudenken.
Angesichts der Ankündigung, interfraktionell das Thema Haushaltskonsolidierung aufrufen zu wollen, versteht der Kämmerer nicht, warum man die Ausgabenseite vorab durch einen Anbau ans Museum um noch einmal bis zu jährlich 1,5 Millionen Euro belasten will.
Innerhalb der engen Grenzen setzt der Haushalt dennoch Akzente. Für zwei Kunstrasenplätze wendet die Stadt 1,8 Millionen Euro auf, Langzeitprojekte wie die Schul(toiletten)sanierung werden weiter verfolgt, in Allerheiligen eine neue Grundschule gebaut.
Belastend für das Portemonnaie der Bürger wirkt sich die Entscheidung aus, der AWL die Müllentsorgung aus öffentlichen Grünanlagen zu übertragen. Das treibt die Müllabfuhrgebühr um 4,3 Prozent. Entlastungen dagegen gibt es nur bei den Kindergartenbeiträgen — und auch da nur für Familien mit niedrigen Einkommen.