Grevenbroich: Ein Dorf im Denkmal-Fieber
Geschichte: Der historische Ortskern von Hülchrath gilt mit mehr als 250 Objekten als Kleinod der Grevenbroicher Denkmalpflege.
Grevenbroich. Sie haben mit eigenem Geld die Straßenlaternen bezahlt, sie haben den Pfarrgarten gestaltet und sie wollen ihren Ort zu einem "kleinen Zons" machen: Die Dorfgemeinschaft Hülchrath hat sich viel vorgenommen und schon eine Menge erreicht. Immerhin wurde Hülchrath in den vergangenen Jahren regelmäßig beim Wettbewerb "Unser Dorf hat Zukunft" ausgezeichnet.
Der historische Ortskern von Hülchrath gilt als Kleinod der Grevenbroicher Denkmalpflege. Er ist der einzige "Denkmalbereich" im Stadtgebiet, wie Fachleute eine zusammenhängende Gruppe von erhaltenswerten Bauten nennen. Eine Dokumentation von 2007 listet insgesamt mehr als 250 Denkmäler auf. Darunter sind 194 Baudenkmäler, also Einzelgebäude. Weniger ins Auge fallen die 19 Bodendenkmäler, von denen sich eines im Herzen der Stadt befindet: Es sind die Reste des Bernardusklosters, die heute durch Glasplatten im Fußboden des Bürgerbüros zu sehen sind. Hinzu kommen 41 bewegliche Denkmäler, beispielsweise Schützenfahnen und -ketten.
Der Denkmalschutz ist eine vergleichsweise junge Einrichtung. 1980 erließ das Land ein entsprechendes Gesetz, vier Jahre später wurden in Grevenbroich die ersten Objekte unter Schutz gestellt. "Was man erreichen wollte, ist in Hülchrath gut zu sehen", erklärt Baudezernent Werner Hoffmann. Die Bürger erarbeiteten zusammen mit einem Architekten Anregungen für Einzelobjekte, die nicht unter Schutz stehen. Dies gelingt freilich nur, wenn alle im Dorf an einem Strang ziehen. Tatsächlich gehört schon zur Pflege eines einzelnen denkmalgeschützten Wohnhauses Engagement. Jeder Umbau, jede Renovierung muss genehmigt werden. Beispielsweise kommen von Amts wegen statt Betonpfannen Tonziegel aufs Dach, und statt moderner Dispersionsfarbe ist bei vielen alten Objekten nur Mineralfarbe erlaubt. Das geht schnell ins Geld, denn die finanzielle Förderung ist seit den 80er Jahren auf ein Minimum zusammengeschrumpft.
Trotzdem sind die meisten stolz auf ihre Objekte, so die Erfahrung von Martin Zabel, Stadtplaner und Denkmalpfleger bei der Unteren Denkmalbehörde: "Viele suchen für Umbauten sogar einen fachlich qualifizierten Architekten." Manche Denkmal-Besitzer gewähren sogar der Öffentlichkeit Zutritt zu den geschichtsträchtigen Bauten. Am "Tag des offenen Denkmals", den die Deutsche Stiftung Denkmalschutz an jedem zweiten Sonntag im September veranstaltet, öffnen in Grevenbroich viele Baudenkmäler in öffentlichem wie privatem Besitz ihre Pforten.
An ein Highlight erinnert sich Hoffmann besonders gern: "Ein Arzt, Eigentümer eines Gründerzeit-Hauses auf der Bahnstraße, präsentierte einmal sein gesamtes Wohn- und Arbeitsumfeld, vom Eingang bis zur Dachspitze. Seine Tochter spielte dazu Klavier."
Mit dem Umfeld des Alten Schlosses wurde Anfang Mai ein weiteres Areal für schutzwürdig erklärt. Zuvor standen nur das Schloss, Haus Hartmann, das Schlosstor und die Mauern an der Schlossstraße unter Denkmalschutz. "Jetzt müssen alle Bauvorhaben auf dem Gelände von Stadion und Schlossbad künftig vom Rheinischen Amt für Bodendenkmalpflege abgesegnet werden", erklärt Dorothea Rendel, Fachdienstleiterin für den Bereich Stadtplanung und Denkmalschutz. Historische Karten zeigen, dass das Schloss in früheren Zeiten freigestanden hat. Jede weitere Bebauung würde den jahrhundertelang gewachsenen Stadtkern weiter zerstören, so die Denkmalschützer. Damit dürften Pläne zum Hotel- und Wohnungsbau nahe dem Schloss, wie sie in der Vergangenheit diskutiert wurden, nur noch schwer durchzusetzen sein.
Baudezernent Hoffmann zeigt sich zufrieden über die Entscheidung: "Heute würde auch die Waschbeton-Fassade des Schlossbades nicht mehr gebaut. "Damals, in den 60ern und 70ern, spielte der Denkmalschutz keine Rolle bei Bauentscheidungen. Heute haben wir die Chance, Neubauten auf Objekte wie das Alte Schloss abzustimmen."