Dormagen: Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts im Blick
Kreisarchiv: Ausstellung in Zons thematisiert den „Ersten Weltkrieg in Presse und Propaganda“.
Dormagen. In seinem Tagebuch erzählt der junge Soldat August Krapp aus Dormagen von der Mobilmachung. Wie er vorübergehend in Neuss bei einem Metzgermeister untergebracht wird, bevor es am 12. August 1914 um 10 Uhr vormittags dem Krieg im Westen entgegengeht.
So nah hat Sprecher Harald Krumbein mit seinen ausdrucksvollen Rezitationen zeitgenössischer Texte, Aufzeichnungen und Lyrik bei der Eröffnung der Ausstellung "Gottes Segen ruht auf unseren Waffen" im Kreisarchiv in Zons Geschichte erzählt.
Der etwas martialische zeitgenössische Titel aus der kaiserlichen Weihnachtsbotschaft von 1915 verschleiert leider, dass dem Archiv eine ausgewogene regionalbezogene Ausstellung über den "Ersten Weltkrieg in Presse und Propaganda" gelungen ist.
Auch das mit kaiserlichen Insignien beladene Ausstellungsplakat verdeckt den fundierten lokalen und überregionalen Bezug mehr, als er ihn erhellt. Hingegen vermochte die Eröffnungsveranstaltung die Stimmung der damaligen Zeit in ihrer ganzen Breite wiederzugeben.
Hans-Ulrich Klose, stellvertretender Landrat, bezeichnete das Denken der damaligen Zeit persönlich als "unvorstellbar". In vielen der rezitierten Texte ist im gleichen Atemzug von "Weltfrieden" und "Feinden" die Rede, viel von "deutschem Herz" und "heiliger Pflicht".
Solcherart waren die geistigen Grundlagen der "Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts", die zunächst als europäischer Krieg begann, mit dem Eintritt Amerikas und Japans zum Weltkrieg wurde und schließlich das "Ende des Alten Europas" besiegelte.
Von einem Epochenwechsel 90 Jahre nach dem Ende des Krieges sprach auch Kreisarchivar Karl Emsbach in seiner Einführung. Anschaulich hob er die Bedeutung persönlicher Erfahrung für das Verständnis von Geschichte hervor, die für den Ersten Weltkrieg immer seltener möglich werde.
Erst vor kurzem, berichtete Emsbach, sei Erich Kästner (nicht zu verwechseln mit dem berühmten Autor), der letzte Soldat der kaiserlichen deutschen Armee, in einem Altersheim nahe Pulheim verstorben.
Die Ausstellung in Zons zeigt auf drei Ebenen vor allem publizistisches Material aus den Beständen des Archivs. Greifbar machen diese Dokumente jedoch zahlreiche gegenständliche Beigaben, von denen viele persönliche Leihgaben von knapp 50 Privatpersonen aus dem Kreisgebiet sind.
Dazu gehören Fahnen und Orden ebenso wie Gesangsbücher und Kriegsspielzeug. Sie veranschaulichen wie die Kriegspropaganda bis in die Privatbereiche, bis in die Küchen und Kinderzimmer vorzudringen vermochte.